Das Jahr 2015 neigt sich dem Ende . . .

„Wieder ist ein Jahr vergangen“, so hört man jetzt allenthalben. „Was für ein Jahr“ möchte man sagen. Wie gut, dass man alle diese Ereignisse des Jahres 2015 nicht schon zu Anfang des Jahres gewusst hat. 

 

Wie immer hatten wir, Helmut und ich, die Hoffnung, dass das neue Jahr besser werden würde. Das erste Drittel des Jahres war von der griechischen Politik geprägt. Das ging so lange, dass man es schon nicht mehr hören konnte. Und heute? Griechenland hat immer noch finanzielle Probleme, aber wen interessiert das noch? Es wird kaum noch darüber gesprochen.

 

Bald darauf gab es immer mehr Tote auf dem Mittelmeer. Menschen, die in Frieden leben wollten, sind ertrunken. Diese erschütternden Bilder haben wir noch immer im Kopf. Bald darauf sahen wir die Menschenmengen über das Land ziehen und die ersten Flüchtlinge erreichten Deutschland. Es wurden immer mehr. Und noch immer erreichen uns täglich tausende Menschen, um Frieden und Zuflucht zu finden.

 

Jede Bewegung erzeugt eine Gegenbewegung. So auch bei den Flüchtlingen. Die Organisation „Pegida“ mit ihrem rechten Abschaum wurde ausgerufen. Die AfD wurde trotz Führungswechsel immer stärker und immer mehr Flüchtlingsheime brannten. Es waren erschreckende Bilder aus Deutschland, die im Ausland gezeigt wurden. Sogar Reisewarnungen wurden aus den USA und von Kanada gegenüber Dresden ausgesprochen.

 

Was mich wiederum erfreute, war von vielen Deutschen die dargebotene Hilfe gegenüber den Flüchtlingen. Die sogenannte Willkommenskultur. Damit war die deutsche Bevölkerung mal wieder geistig weiter als so mancher deutscher „christlicher“ Politiker. Das gab mir wieder Hoffnung. Hoffnung, dass sich die deutsche Bevölkerung nicht nur von dem rechten politischen Gesindel einlullen lässt.

Viele fragen sich jetzt: „Und was hat das mit uns Schwulen und Lesben zu tun?“ Ich glaube, sehr viel. Auch uns gegenüber wird von dem rechten Mob gehetzt. Pegida und AfD würden am liebsten russische Gesetze gegen uns anwenden. Der Hass gegenüber den LGBT wird ungestraft gegenüber uns geschürt. Die falschen Argumente werden wissentlich gegenüber uns angewendet. Irgendetwas wird schon hängen bleiben. Ununterbrochen wird propagiert, dass wir ihre Kinder „umpolen“ wollen. Jeder kluge Kopf weiß, dass das nicht geht. Oder wann haben diese Rechten entschieden heterosexuell zu sein? Wir haben uns auch nicht entschieden homosexuell zu sein – wir sind es einfach. Punkt.

 

Was mir Angst macht ist die Dummheit der Rechten. Oder ist es die Gerissenheit mit der unbegründeten Angst der Deutschen zu spielen, um Macht zu gewinnen. Man darf nicht zulassen, dass der rechte Abschaum Macht über Deutschland bekommt. Das hatten wir 1933 schon einmal. Und 1945 hieß es nie wieder.

 

Ich habe täglich mit jugendlichen Flüchtlingen zu tun. Mir geht es gut dabei. Ich habe in dieser Zeit viel von anderen Kulturen gelernt. Und die Jugendlichen von mir über Deutschland. Es ist ein Geben und ein Nehmen. So soll es sein. Und das ist auch gut so.

 

Für 2016 wünsche ich mir weniger Aufregung im negativen Sinne. Ich möchte auch in das neue Jahr hoffungsvoll ohne Ängste schauen können. Ich möchte, dass der rechte Mob an Bedeutung verliert. Ich wünsche mir ein tolerantes Deutschland, dass andere Kulturen, anders Denkende und Menschen mit einer anderen Sexualität akzeptiert.

 

In diesem Sinne: Ich wünsche allen Menschen ein friedvolles gutes 2016. Lasst uns hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

 

 

 

Norbert

 

Erstellt im Dezember 2015

 


Advent, Advent . . . zwei Lichtlein brennen . . .

das ist dann wieder das Zeichen sich aufzumachen nach Bremen . . . zum Adventskaffee unserer Gruppe. Nachdem wir letzten Jahr bei mir im schönen beschaulichen Garrel im weiten Niedersachsen waren, wollten es sich Norbert und Helmut nicht nehmen lassen, dieses Mal wieder bei sich einzuladen.

 

Mit knapper Verspätung kamen mein Freund und ich an und wurden herzlich von allen begrüßt, weil wir ja dank Baustellen schon fast die Letzten waren.

Kuchen und Plätzchen standen schon reichlich in der Küche und so haben wir unsere leckere Marzipantorte auch noch dazugestellt . . . endlich passte es dann auch mit den „Gesamtkalorien“, die an dem Tag zu erreichen waren (lach).

 

Kaffeeduft stand schon in der Luft und so ging es sofort ans Kuchenbuffet. Der große Esstisch war schon besetzt, also suchten wir uns einen Platz auf der gemütlichen Couch, was sich noch als „Fehler“ für Norbert und Helmut erweisen sollte.

 

Nachdem das Kuchenbuffet „geplündert“ war, ging es über zum Sekt (oder für die Autofahrer Mineralwasser) und so wurde das Geschnatter immer lauter. Eigentlich treffen sich viele Gruppenmitglieder ja zweimal im Monat (Gruppenabend und Organisation Vätertreffen 2016), aber trotzdem geht der Gesprächsstoff nicht aus. Da wird über ernste Themen 

gesprochen, aber noch mehr gelacht und gekichert und so gingen die Stunden ins Land.


Die Couch bei den beiden ist tatsächlich sehr bequem und so haben einige (wo ich auch dazugehörte) nicht gemerkt wie die Zeit ins Land zog. Auf mal hieß es: „Norbert, wann musst Du eigentlich morgen früh raus?“ „Oh…so früh? Ich glaube, dann müssen wir wohl mal nach Hause.“ hieß es dann um knapp 23 Uhr.

 

Es war einfach wieder ein schöner Nachmittag und Abend und ganz herzlichen Dank an die Ausrichter Norbert und Helmut.

 

 

Martin

 

Erstellt im Dezember 2015


Das Bundesland Bremen prescht vor . . .

Bremen hat als erstes Bundesland eine Antidiskriminierungsklausel in das Gaststättengesetz aufgenommen. Bis zu 5.000 € Strafe müssen homophobe Clubbesitzer bei Zuwiderhandlung zahlen.

 

Im Stadtstaat Bremen ist es in Zukunft eine Ordnungswidrigkeit, wenn ein Club oder eine Bar einem Gast „wegen der ethnischen Herkunft, einer Behinderung, der sexuellen oder geschlechtlichen Identität oder der Religion oder Weltanschauung“ den Einlass verwehrt oder wenn „eine Person aus diesen Gründen während des Aufenthalts in einem Gaststättengewerbe benachteiligt“ wird.

An Donnerstag, 26.11.2015, stimmten in zweiter und letzter Lesung neben der rot-grünen Regierungskoalition als Antragstellerin auch die Oppositionsparteien CDU und Linke für eine entsprechende Änderung des Bremischen Gaststättengesetzes. Leider enthielten sich die Abgeordneten der FDP in der bremischen Bürgerschaft. Bei den beiden Einzelabgeordneten der AfD und der „Bürger in Wut“ ist das nicht weiter verwunderlich.

 

„Die vorliegende Gesetzesänderung ist ein wichtiger Baustein gegen den Alltagsrassismus und andere Ausgrenzung und ein Schritt zur Weiterentwicklung unserer inklusiven Stadtgesellschaft in Bremen und Bremerhaven“, heißt es in der Begründung des Antrags. So kann nun bei Verstößen gegen den Antidiskriminierungsparagrafen den Clubbetreibern nun ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5.000 € drohen. Bei mehrfachen Verstößen kann in letzter Konsequenz sogar die Gewerbeerlaubnis entzogen werden.

 

Im Gegensatz zu Bremen will Niedersachsen den Schutz von LGBT ausklammern. Bremen ist das erste deutsche Bundesland, das gewerberechtlich gegen Diskriminierung vorgeht. Bislang konnten Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität nicht in eine Disco durften, nur privatrechtlich nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dagegen vorgehen und auf Schadensersatz und Unterlassung klagen.

 

Eine ähnliche Initiative wie in Bremen hat Ende September auch die rot-grüne Regierungskoalition in Niedersachsen auf den Weg gebracht. Dort sieht die Gesetzesnovelle zwar Strafen in Höhe von bis zu 10.000 € bei Diskriminierungen in der Disco vor, bedauerlicher Weise sind LGBT jedoch davon ausgenommen. Der Entwurf der Landesregierung will nur Abweisungen „wegen der ethnischen Herkunft oder der Religion“ ahnden.

 

 

Norbert

 

Erstellt im November 2015

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PDF der Bremischen Bürgerschft
Antidiskriminierungsklausel des Gaststättengesetztes
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Schwule und Flüchtlinge . . .

. . . passt das zusammen? Warum nicht! Ich selbst arbeite in der Jugendhilfe und betreue unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Das kann mitunter sehr anstrengend sein, auf der anderen Seite ist es eine interessante und vielseitige Arbeit. Die Arbeit, die wir Betreuer in die Jugendlichen stecken, bekommen wir mit lachenden, zufriedenen Gesichtern als Lohn zurück. Es ist schön zu sehen, wie sich diese jungen Menschen entwickeln und intrigieren.

Alle, die mich kennen, wissen, dass ich nicht viel von Facebook halte. Doch manchmal kann man auf diesen Seiten auch etwas Gutes lesen. So bekam ich von meinen Kolleg_innen folgenden Text vom 03.11.2015 von Dirk Voltz, der mit seinem Lebenspartner in Berlin lebt, zu lesen, der genau zu diesem Thema passt und den ich hier nun wiedergebe:

Gerade in schlechten Zeiten sollte man die eigene Bilanz prüfen. Meine schaut so aus: Seit Juli rund 24 Leute aus Syrien, Afghanistan und dem Irak in unserer Butze untergebracht.

Die Messer stecken noch da, und zwar genau dort, wo ich sie an meinem WMF-Brett installiert habe. Bevor Gäste aus Syrien oder dem Irak zu uns kamen.

Der Schlüssel zum Schlafzimmer wurde nie zum Abschließen benötigt, aber gerne als Katzen-Spielzeug von einem sehr lieben Menschen aus Afghanistan missbraucht. Unsere vier dicken, altersschwachen Kater hatten genauso viel Spaß wie der junge Mann.
 

Aber zurück zu den Messern: Zwischendurch wurden damit ein paar Zwiebeln, viel Knoblauch und noch vieeeel mehr Fleisch (bäh) gekillt.
 
Mario und ich leben noch.

Vielleicht sogar intensiver als zuvor. Ob wir je zurück zu einem "normalen" Alltag finden, wissen wir noch nicht. Was interessiert mich das Luxus-Geschwätz von gestern?

Was ist denn hier bitte los?


Kein Muslim da gewesen, der uns im Schlaf abmurksen wollte. Keiner, der uns beschimpft, weil wir als Männer zu zweit ein Bett teilen. Niemand weit und breit, der die Scharia dem deutschen Grundgesetz vorziehen würde. Keiner da gewesen bislang, der nicht bereut, seine Heimat verlassen zu haben. 

Wenn wir überhaupt eine schlechte Erfahrung machen mussten, dann die, dass alle neuen Freunde grundsätzlich zu viel Salz und zu viel Zucker brauchen. Da lohnt dann auch gerne mal ein Einkauf bei Metro.


Wo ist die Islamisierung Deutschlands denn bitte stecken geblieben? Die muss sich noch irgendwo auf der Balkanroute befinden. Für die "Besorgten Bürger" kommt sie aber . . . ganz bestimmt. Wenn nicht jetzt, dann eben 2016 . . . 2017 . . . 2018


Die wahre Enttäuschung kommt für uns in Form von gemeinen SMS, über Morddrohungen auf der Straße oder über die beleidigenden Briefe an der Haustür. 

Oder auch einfach von Schulfreunden, die lieber die AfD zitieren, jammern und sich selbst bedauern. 

Anstatt mit anzupacken wird rum geheult, als gäbe es kein Morgen mehr. Wacht endlich auf!


Als könnte man diese Völkerwanderung aufhalten. Als hätte man auf Kriege persönlich keinen Einfluss. Als wären wir nicht alle mit verantwortlich für das, was an Schrecken und Leid passiert.


Mag sein, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Kann auch sein, dass der Teufel in jeder Religion steckt. Vielleicht muss ich in zehn Jahren mehr für meine Rechte als Homosexueller kämpfen, als es mir lieb ist. Kann auch sein, dass ich irgendwann feststelle, ich habe Fehler gemacht.


Vieles kann, nix muss!


Wer weiß das schon? Ich meine, wer weiß schon, was irgendwann einmal sein wird? Ganz sicher weiß ich, dass dieser Sommer und dass dieser Herbst unser Leben verändern werden. Ihr könnt dabei sein. Oder aber ihr habt einfach nur Angst. Und dann tut es mir leid.


Es tut mir Leid für die, die in Angst leben.

 

Für mich ist das ein tolles Statement. Ich wünsche mir, dass noch mehr solcher hilfsbereiter Menschen in Deutschland gäbe. Und zu der obigen Frage kann ich nur sagen „Ja“.

 

 

Norbert

 

Erstellt im November 2015 


Mein 3. Mal Waldschlösschen

Beim 59. Vätertreffen im Waldschlösschen wurde festgelegt, dass unsere Bremer/Niedersächsische Gruppe „Ans-andere-Ufer“ das 61ste Treffen organisiert, und was macht man als „Mitorganisator“ . . . klar . . . man meldet sich noch schnell für 60ste Treffen an, um dort eventuell noch Anregungen oder einfach nur Arbeitsabläufe von bestimmten Dingen in Erfahrung zu bringen. Wie gesagt, also hab ich mich sofort nachgemeldet und habe tatsächlich dann Ende September noch eine Zusage bekommen und durfte das vergangene Wochenende von Donnerstag bis Sonntag im Waldschlösschen verbringen.

Es war ein Jubiläumstreffen, 30 Jahre Vätertreffen gibt es jetzt und das merkte man. Wie schon im Bericht von Norbert

. . . Gala-Dinner und Freitagabends auch eine Show. Alles super vorbereitet und vom Feinsten. Allen Akteuren und Organisatoren auch von mir hier ein ganz großer Dank!

 

Aber das ist es nicht alleine, was das Vätertreffen ausmacht. Sobald man die Räume betritt, umgibt einen eine „wohlige Wärme“, man freut sich auf alte Gesichter und ist gespannt auf Neue. Diese Harmonie, die man dort erlebt, gibt es sonst nirgends in der Form.

 

Das Workshop-Programm war diesmal noch umfangreicher und es wurde wieder viel geboten: Themen rund ums Coming-Out, (in der Familie, am Arbeitsplatz), Familienthemen (wie geht es weiter nach dem Outing mit der Frau, mit den Kindern), soll ich mich überhaupt outen oder gibt es Formen des Zusammenlebens ohne dass ich mich nach Außen oute, aber auch Erholung und Entspannung kamen wieder nicht zu kurz. Ich habe einen Salsa-Kurs belegt, der zwar sehr viel Spaß machte, aber mir auch kläglich aufzeigte, dass ich leider kein „Kubanisches Blut“ in mir habe (lach).

 

Sehr beeindruckend war auch der Ausflug an die ehemalige innerdeutsche Grenze, zum Grenzmuseum in Eichsfeld. Dort haben wir nicht die Ausstellung Indoor besichtigt, sondern hatten einen Reiseführer, der uns die Außengrenzanlagen, die auf einer Länge von ca. 2 km dort erhalten wurden, gezeigt. Da er auch viel über die Vergangenheit an der Grenze zu erzählen wusste, war es für mich ein sehr beeindruckender, aber auch bedrückender Nachmittag, wie es dort vor mehr als 25 Jahren gewesen ist. Nicht nur für die Menschen in der unmittelbaren Umgebung, auch für die Soldaten und natürlich die, die dort ihr Leben am Zaun ließen.

 

Dafür wurden wir am Freitagabend wieder „entschädigt“, eine sehr schöne Show erhellte die Stimmung und man war wieder mittendrin. Ich bin jetzt das 3. Mal dort gewesen und man lernt immer mehr Männer kennen und natürlich bleiben die alten Freundschaften, so dass der Kreis immer größer wird. Das merkt man dann besonders, wenn es am Sonntag ans „Verabschieden“ geht. Man braucht immer länger, weil man jeden, den man kennt, zum Abschied nochmal drücken und knuddeln will. Beim ersten Mal hatte ich beim Verabschieden Tränen in den Augen, das hatte ich am Sonntag nicht, aber ich habe gesehen, dass selbst „alten Hasen“, die schon zigmal dort gewesen sind, die Tränen liefen. Man verlässt wieder die „Insel“ und das tut manchmal weh.

 

Mich kann man auf alle Fälle beim 61. Vätertreffen im Waldschlösschen wieder antreffen, weil dann bin ich als Mitorganisator auf alle Fälle dabei und darauf freue ich mich heute schon riesig, auch wenn es vielleicht stressiger wird als sonst. Aber sonst wir uns alles „vorgesetzt“ und diesmal bereiten wir hoffentlich anderen ereignisreiche, unterhaltsame, erholsame von wohliger Wärme erfüllte Tage im Waldschlösschen. Freue mich schon jetzt auf alle, die dann mit dabei sein werden.

 

 

Martin

 

Erstellt im November 2015


Großes Jubiläum –                                       Waldschlösschen: Das 60. Vätertreffen                       „Zwischen den Welten“ 

Am Mittwochnachmittag, 28.10.2015, kamen wir mit vier großen Koffern in Göttingen an. Es war wieder das bundesweite Vätertreffen im Waldschlösschen und da es das 60. Treffen war, gab ein einen Tag mehr. Helmut und ich waren mit im Orga-Team und deshalb war unsere Anreise noch einen Tag früher. 

Von Göttingen mussten wir noch mit einem Linienbus zum Waldschlösschen. Nach einer kurzen Wartezeit kam dann auch der Bus der Linie 155. Schnell waren die Tickets bei dem Busfahrer bezahlt, die Koffer waren von uns abgestellt worden und kaum, dass wir saßen, fuhr der Bus los. Ab da begann unser halbstündiges Abenteuer. Der Busfahrer ist gefahren, als gäbe es kein Morgen mehr. Bereits in Göttingen wurde recht ruppig gefahren und außerhalb der Stadt raste der Fahrer wie von Sinnen. Unsere Koffer flogen bei jeder Rechtskurve aus der Abstellecke. Wir konnten sie nicht einmal festhalten. Eine Achterbahnfahrt auf dem Freimarkt war nichts dagegen. Aber nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei und der Bus hielt mit quietschenden Reifen vor dem Waldschlösschen. Endlich angekommen.

 

Hier herrschte noch angenehme Ruhe. Unsere Zimmerschlüssel lagen schon bereit und somit konnte unser Einzug beginnen. Bald darauf war schon Abendessen und im großen Saal trafen so nach und nach die anderen Orga-Männer ein. Es folgte noch eine kleine Besprechung und dann konnten die Vorbereitungen für den Empfang der Gäste, am nächsten Tag, beginnen. Der große Saal wurde festlich geschmückt und das Kaminzimmer für den Empfang hergerichtet.


Der Donnerstag begann mit einem ruhigen Frühstück. Das war die sogenannte Ruhe vor dem Sturm. Helmut und ich bereiteten zusammen mit anderen Orga-Männern alles für das leibliche Wohl der Ankömmlinge vor. Kleine runde Pumpernickel wurden mit Käse, Salami und Schinkel belegt. Dazu gab es wahlweise Prosecco oder Orangensaft. Bereits kurz nach 10:00 Uhr trafen die ersten Gäste ein. Überall war die Wiedersehensfreude groß. „Hallo“ und Küsschen links und Küsschen rechts. Nach dem Einschecken, gab es dann die Snacks und die Getränke. Der Lärmpegel durch das „Geschnatter“ wurde immer höher. Überall sah man fröhliche Gesichter. Rasch war die Zeit bis zum Mittagessen vergangen und danach folgte bereits die obligatorische große Begrüßungsrunde. Hier stellte das Orga-Team kurz das gesamte Programm des langen Wochenendes vor. Die vielen Workshops folgten kurz darauf. 

Pünktlich um 18:30 Uhr gab es anlässlich des Jubiläums ein Gala-Dinner. Die Tische wurden vorher für dieses Essen extra eingedeckt und dekoriert. Für diesen Abend war keine Selbstbedienung vorgesehen. Fleißige Helfer aus dem Orga-Team brachten die schön dekorierten Teller mit den Speisen zu den Tischen und bedienten dort. Als ersten Gang gab es Shrimpssalat mit Avocado, Paprika an Mais und Balsamicoessig. Es folgte eine leckere Walnusssuppe. Der Hauptgang bestand aus gegrilltem Lachs mit Wildreis, frischer Gemüseplatte und Sauce Hollandaise. Für die Vegetarier gab es alternativ Antipasti und Penne Arrabiata. Es folgte das Dessert: Bratapfel mit Vanillesoße. Das ganze Menue war super lecker. Da hatte sich die „Küche“ extrem ins Zeug gelegt. Der nach dem Dessert lang anhaltende Applaus für unsere „Kellner“ und für die „Küche“ war mehr als gerechtfertigt. So etwas hat das Waldschlösschen wohl noch nicht erlebt.

Direkt nach dem Dinner wurden wir in den großen Gartensaal eingeladen. Hier hatten einige Männer eine einstündige Show vorbereitet, bestehend aus Gesang, zum Teil begleitet mit Gebärdensprache von Frank, sowie kleine Filmbeiträge. Es war eine ehrliche Show ohne Fummel oder Schnickschnack. Das Thema war: Farbe bekennen. Die Darbietungen waren kurzweilig und unterhaltsam und manchmal machten sie nachdenklich. Insgesamt war es eine gelungene runde Sache, was die Akteure uns geboten hatten. Der lang anhaltende Applaus war verdient.

Danach wurde noch der Film „Männer aldente“ gezeigt. Helmut und ich zogen es aber vor mit anderen im großen Saal zu plaudern – den Film kannten wir bereits. Ich musste mal zwischendurch ins Internet und sah gerade, dass unsere Homepage den 22222sten Besucher hatte. Schnapszahl: Na dann Prost! So neigte sich ein gelungener Tag dem Ende.

 

Der Freitagmorgen begann mit einem ruhigen Frühstück. Die vielen verschiedenen Workshops für diesen Vormittag begannen und wir, Helmut und ich, wollten einfach nur chillen. Vor dem Mittag machten wir noch einen ausgiebigen Spaziergang durch die herbstlich bunten Wälder von Gleichen. Vorbei an dem sagenumwobenen  Hurkutstein mit seiner Höhle ging es für uns hinauf zu den Jägersteinen Reinhausen, einer kleinen Felsenlandschaft aus Buntsandstein, bizarr geformt von Wind und Wetter. Diese Felsen sind als Bodendenkmal ausgewiesen. 


Am Nachmittag folgten wieder weitere interessante Workshops bzw. Workshopfortsetzungen. Die Zeit bis zum Abendessen verging wie im Fluge und danach hieß es: „Umbauen für die Gala ,Shomewhere over the Rainbow’“. Helmut und ich stylten uns etwas auf, weil wir für die Sektausgabe zuständig waren.

So standen wir zwei dann, nachdem wir den Tisch für den Sektempfang hergerichtet hatten, nun als „Tresenschlampen“ hinter dem Selbigen. Helmut zog mit seinem Outfit wieder alle Blicke auf sich. Die halbe Stunde bis zum Showbeginn war schnell erledigt, ebenso das Aufräumen. Als wir beide den großen Saal betraten, begann gerade die Gala.

 

Hier moderierten gerade die beiden „Göttinnen“ Inge und Renate, die wir schon vom 57. Vätertreffen her kannten (siehe Berichte 2014, Mai). Eröffnet wurde die Show von der „kleinen Shirley Bassey“ mit „Over the Rainbow“. Zwischen den zehn Act’s telefonierten die Göttingen immer wieder mit dem Himmel oder die Hölle, um die Toten und zum Teil noch lebenden Stars auf die Bühne zu holen. Die Moderation der beiden Göttingen war wunderbar abgestimmt auf die einzelnen Darbietungen. Diese wiederum waren alle hervorragend. Jeder einzelne der Akteure brachte das Publikum, das mit staunenden Gesichtern dasaß, immer wieder zum Lachen. Insgesamt war das eine runde und sehr gelungene Show. Einfach Klasse. Vielen Dank an alle, die so viel Herzblut und Arbeit da hinein gesteckt haben.

Ruckzuck wurden von allen Gästen die Stühle beiseite gestellt. Die Party mit Hits aus den 70er und 80er Jahren konnte beginnen. Der DJ Andreas verstand es mit den Songs schnell die Tanzfläche voll zu bekommen. Bis zum Schluss kurz nach Mitternacht war die Tanzfläche gut gefüllt. Wieder sah man nur fröhliche, lachende, entspannte Gesichter.

 

Nach dem Frühstück am nächsten Tag begann eine neue Runde von Workshops. Aus persönlichen Gründen hatte ich mich für den Arbeitskreis „Coming-Out“ am Arbeitsplatz entschieden. Wir waren nur eine kleine Runde, aber wie heißt es so schön: klein, aber fein. Diese Gesprächsrunde war intensiver und hatte dadurch eine ganz andere Qualität. 

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Grußwort von Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth
Grußwort_Schwule Väter Deutschland.pdf
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Es nahte das Mittagessen. Danach war Mittagspause angesagt. Workshops gab es keine mehr und an diesem Samstagnachmittag stand nicht der übliche Kaffee mit Blechkuchen für uns bereit, sondern es gab stattdessen für alle Kaffee und Torte. Auf dem Programm stand: Lese- und Liedercafé „Ich mal  bunt die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt.“ Dirk begrüßte alle 82 Teilnehmer und verlas ein Grußwort von Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth. Reiner Marbach erzählte kurz aus der Vergangenheit der Treffen schwuler Väter. Danach wurde das Torten-Buffet eröffnet. Zu den leckeren Torten nebst Kaffee begannen Matthias und Matthias das weitere Programm zu gestalten. Der eine Matthias begann mit dem Vorlesen aus dem neuen Buch „Und was sagen die Kinder dazu? Zehn Jahre später“ von Uli Streib-Brzic und Stephanie Gerlach. Der andere Matthias sang dazu passende und auch nachdenkliche Lieder und spielte dazu Gitarre. Ein gelungener Nachmittag, der unseren Kindern gewidmet war.


Weiter ging es nach dem Abendessen mit einem weiteren Empfang im Kaminzimmer. Dies war der Auftakt für die Show „Ein Kessel Buntes“. 20:40 Uhr durften die Zuschauer im großen Saal Platz nehmen. Dann bekamen wir eine wunderbare Show, in Anlehnung der MDR-Show, zu sehen. Zehn mal wurde uns Zuschauern großartiges dargeboten. Umrahmt wurde die Show von Dirk und Andreas, die ein wunderbares, humoriges Moderatoren-Duo abgaben. Reichlich Applaus gab es von Anfang an und auch immer wieder zwischendurch. Am Show-Ende tobte der Saal. Da haben sich viele Akteure sehr viel Arbeit gemacht und ebenso viele Zeit zum Üben genommen. An dieser Stelle an alle, die die drei Shows mitgestaltet haben ein großes Dankeschön. Die Show selber ging wieder nahtlos in eine Disco über. Hier konnte man sich durch das Tanzen noch einmal richtig „austoben“.

 

Gleich nach dem Frühstück bereitete ich mich auf meinen Vortrag vor. Es ging um den Film „Mein Mann ist schwul“, welchen ich vor langer Zeit aufgenommen hatte. 40 Männer hatten sich den Film angesehen und anschließend gab es darüber eine lebhafte Diskussion.

 

Die anschließende traditionelle Abschiedsrunde bestätigte dem Orga-Team, dass es mal wieder ein gelungenes Wochenende war – zum Jubiläum mit einem Tag zusätzlich. Dem kann ich mich nur anschließen.

 

Fazit: Das war ein ganz tolles langes Wochenende im Schlösschen. Nach all den Problemlösungen in den Workshops gab es immer wieder Gelegenheiten zum Lachen. Die Abende waren entspannend und ließen alle den Alltag vergessen. Das Waldschlösschen ist für uns ein geschützter Raum. Hier darf jeder sein wie er ist. Ob dick oder dünn, ob lang oder klein, ob alt oder jung, hier wird jeder ernst genommen, hier ist man Mensch . . .

 

 

Norbert

 

Erstellt im Oktober/November 2015