Ein Mitglied aus unsere Gruppe ANS ANDERE UFER ?! hat nach seinem Coming-Out sein bisheriges Leben und sein Coming-Out in einer Metapher ausgedrückt. Eine schöne Geschichte, die betroffen, nachdenklich und hoffnungsvoll macht. 

 

Norbert

 

 

Das tiefe Loch

Wann und wie ich in dieses tiefe Loch gekommen bin weiß ich selbst auch nicht mehr genau. Es muss schon sehr, sehr viele Jahre her sein. Hier unten hatte ich alles was ich brauchte. Von oben schien am Tage die Sonne herein und nachts konnte ich die Sterne und den Mond sehen. An den Wänden floss ein kleiner Wasserlauf herab, dort wo die Sonne ihr Licht scheinen ließ wuchsen Pflanzen und im Schatten gediehen Pilze. So hatte ich zu Essen und zu Trinken. Mehr brauchte ich nicht um glücklich zu sein. Eigentlich ging es mir gut hier unten. 

 

Oben liefen täglich die Leute an diesem Loch vorbei. Ab und zu schaute mal jemand von oben zu mir hinunter, sagte aber nichts und ging weiter. Manchmal kamen auch Leute vorbei, blieben oben am Loch stehen, schauten nach unten, schüttelten mit dem Kopf und gingen dann auch weiter. Dann kamen aber Leute, die am Loch stehen blieben mit dem Finger auf mich zeigten und etwas zu mir nach unten schrien, was ich nicht verstehen konnte.

 

So ging es all die Jahre weiter. An einigen Tagen stand ich auf und beobachtete die Menschen, die oben vorbeiliefen. Da waren welche dabei, die meine Blicke auf sich zogen. Ich schaute, wie sie aus der Ferne kamen, dann nahe bei mir vorbei gingen und ihren Weg fortsetzten. Manchmal trafen sich unsere Blicke für einen kurzen Moment. Da spürte ich immer wie eine angenehme Wärme meinen Körper durchfloss. Und wenn ich ganz viel Mut hatte rief ich Ihnen etwas zu. Aber meine leise Stimme verhallte auf dem Weg nach oben und sie hörten mich nicht. Ach wie gerne wäre ich jetzt da oben bei ihnen. Aber wie sollte ich denn an den steilen Wänden hinaufkommen? Und dann war da auch Angst vor den Menschen, die immer so laut ins Loch schrien. Ich setzte mich wieder in meine Ecke und war wieder alleine mit meinen Gefühlen.

 

Dann kam jemand vorbei, schrie wieder etwas zu mir herunter und verschloss das Loch mit einem großen Deckel. Durch die Ritzen des Deckels kam aber noch so viel Tageslicht hindurch, dass ich mich hier immer noch zu Recht finden konnte. So ging es dann Jahre weiter. Bis eines Tages jemand ans Loch kam und den Deckel beiseite schob. Er fragte mich, was ich denn so alleine da unten mache. Und sagt: Komm herauf, hier oben scheint die Sonne und alle Menschen sind glücklich. Hier kann jeder so sein, wie er möchte. Du brauchst dich nicht zu verstecken.

 

Ich sagte: da gibt es aber Menschen, die mich nicht so mögen, wie ich bin. Die machen mir Angst. Nein sagte er, von denen gibt es nur noch wenige, die Zeiten haben sich geändert. Heute strahlt die Welt in allen Farben. Wahrscheinlich hast du Recht. Ich bin ja auch schon eine lange Zeit hier unten und habe die Welt gar nicht mehr im Blick gehabt. Aber ich kann nicht nach oben kommen. Wie soll ich denn an den steilen Wänden nach oben gelangen? Doch, das kannst du, ich lasse dir eine Strickleiter herab. Daran kannst du ganz einfach heraufsteigen. Da nahm ich die Gelegenheit war und kletterte die Leiter hinauf. Oben angekommen, schaute ich über den Rand. Da war aber niemand mehr. Jetzt hing ich hier am Rand und kam nicht weiter hinaus. Ich schaffte es nicht über den Rand zu klettern.

 

Hier hing ich mehrere Tage fest. Und wusste nicht, ob ich wieder heruntersteigen sollte, oder ob ich versuchen sollte weiter über den Rand zu Klettern. Ich dachte an die Menschen, die mich immer anschrien, aber auch an die, die mir kurz einen freundlichen Blick zu warfen. Da spürte ich wieder diese Wärme. Ich nahm all meinen Mut zusammen und zog mich mit meiner ganzen Kraft über den Rand. Jetzt saß ich hier oben und sah in den Himmel. Hier Oben war alles so weit, hell und bunt.

 

Später traf ich ihn wieder und er sagte: Schau, das war doch gar nicht so schwierig. Jetzt laufe in die Welt und genieße dein Leben hier oben.

 

Ja, das werde ich machen, hier oben ist es doch viel besser, als da unten in dem dunklen Loch.

 

 

Ein Mitglied der Gruppe AAU

 

 

Erstellt im August 2022


Nachtrag zu „Das kleine ängstliche Kind…“

Es ist gerade einmal 10 Monate her, dass ich mein inneres Coming Out erlebt habe. Dieser unvergessliche Moment in dem mir im Alter von 50 Jahren bewusst wurde, dass ich schwul bin. Nur wenige Wochen waren jetzt noch nötig in denen sich der Blick auf das eigene Leben komplett veränderte. Heute bin ich vor meinen Kindern – die es sehr gut aufgenommen haben! - , meinen Eltern, meinem Bruder, der Ex-Frau und sogar vor meinem Chef geoutet. Ich habe meinen ersten CSD Umzug mit Begeisterung erlebt und auch meinen ersten Besuch in einer Schwulenkneipe hinter mir. Doch das allerschönste: Seit über drei Monaten habe ich einen lieben Partner an meiner Seite!

Einem Tsunami gleich haben sich die Ereignisse ein ums andere aneinander gereiht und dabei ihre eigene, unaufhaltsam vorwärts strebende Dynamik entwickelt. Dies ging alles so schnell vor sich, dass ich vom Verstand her kaum mehr nachkommen konnte. Die Gefühle sind aus ihrer Achterbahnfahrt nicht mehr herausgekommen. Eine unruhige Zeit voller Aufregung, voller neuer Gefühle und so voll von neuen Entdeckungen. Kurz: Eine zweite Pubertät.

 

Doch die ganze Zeit über gab es im Tiefen meines Inneren immer die eine beruhigende Konstante: Das erfüllende Gefühl endlich bei mir selbst angekommen zu sein. Ich zu sein. So voll und ganz.

 

Ich kann mir heute nicht mehr vorstellen, dass ich einmal ein anderes, ein ‚hetero Leben‘ versucht habe. Das erscheint mir heute vollkommen absurd. Trotzdem ist nun natürlich nicht alles rosarot, so haben z.B. nicht alle in meiner Umgebung mit meinen Veränderungen mithalten können oder wollen. Doch tritt dies klar in den Hintergrund: denn diese Umwälzung hat meinem Leben erst einen Sinn gegeben, sie macht es mir erst möglich endlich einmal das Leben auch genießen zu können und sie macht es mir erst möglich mich tatsächlich wirklich verlieben zu können.

 

Nachdem ich Jahrzehnte lang ängstlich und verunsichert an dem einen Ufer des Stromes stand, dabei kaum einen Blick hinüber zu werfen wagte, habe ich nun das „andere Ufer“ mit einem großen, waghalsigen Sprung erreicht und bin dabei wunderbar sanft gelandet. Dafür möchte ich mich insbesondere bei der Ans-Andere-Ufer-Gruppe und deren Organisatoren Norbert und Helmut bedanken!

 

 

Erstellt im März 2018

 

 

Frank


Mein Coming-Out-Bericht

Obwohl ich mich gut auf dem Wege zu meinem umfassenden Coming out befinde, bleibt es doch noch ein langer Weg der Neu-Orientierung und ich denke, wenn ich meinen langen Leidensweg zu Papier bringe, hilft es mir, die Jahrzehnte langen Verdrängungen und Blockaden leichter zu bewältigen und die entstandenen Verletzungen zu heilen.

 

Ich bin 1935 geboren zu einer Zeit, als über Homosexualität kaum gesprochen wurde und wenn, dann nur im Zusammenhang mit einer schlimmen seelischen Erkrankung, die einer Behandlung unterzogen werden musste. Die Ausübung homosexueller Kontakte stand bekanntlich unter strenger Strafe, was mich während meiner Pubertät, als ich erkannte, dass ich „anders“ sei, in schwere innere Konflikte stürzte.  Seit meiner Pubertät hatte ich sexuelle Phantasien, die sich nur um den männlichen Körper drehten. Zur damaligen Zeit gab es keine  Bilder, geschweige denn Magazine, die den männlichen Körper in einer sexuell anregenden Pose zeigten. So begnügte ich mich mit Fotos schöner Männer in Versandkatalogen, um mich bei deren Betrachtung selbst zu befriedigen. Aber selbst das verursachte in mir starke seelische Konflikte, weil ich den Erzählungen glaubte, dass Selbstbefriedigung körperlich sehr schädlich sei. Es war von bleibenden Wirbelsäulenschäden, Augenkrankheiten und vieler anderer schlimmer gesundheitlicher Konsequenzen die Rede. Ich versuchte immer wieder, die sexuellen Handlungen an mir zu unterlassen. Über den daraus resultierenden „feuchten Schlaf“ wagte ich  mit niemanden zu sprechen, was zu großer Sorge führte, wohl bereits krank zu sein.  Ich wurde kriegsbedingt früh Vollwaise und meine zwar sehr liebevollen Großeltern reagierten nach meinem vorsichtigen Herantasten an ein Gespräch nur mit der Antwort „darüber spricht man nicht“. Sie waren ja auch so verklemmt erzogen und Sexualität hatte nur im Dunkeln und nur zur Kinderzeugung statt zu finden. 

 

Als ich schließlich mit gleichaltrigen Jungen über die „feuchten Träume“ sprechen konnte, war ich erleichtert festzustellen, dass es ihnen genauso erging.  Aber über mein „Anderssein“ konnte und wagte ich nicht mit irgendjemanden zu sprechen.

So flirtete ich dann wie alle anderen Jungen mit Mädchen und lernte mit 18 meine spätere Frau kennen. An eine sexuelle voreheliche Beziehung war zu damaliger Zeit überhaupt nicht zu denken, ganz abgesehen davon, dass ich mich vom weiblichen Körper, so auch von dem sehr schönen  meiner Frau, überhaupt nicht angezogen fühlte.  Ich lernte meine Frau als wunderbaren Menschen kennen und wir entdeckten unsere gemeinsamen Vorlieben für Oper, klassische Musik und das Theater. Wir hatten viele gemeinsame Freunde, mit denen wir fröhliche Parties feierten.  Ein sexueller Kontakt, ja sogar ein Zungenkuss, blieb aus, obwohl ich fühlte, dass meine damalige Freundin das von mir erwartete. Dann wurde ich von der Firma zunächst für drei Jahre nach Indien versetzt. Dort ging das Drama weiter. Ich fühlte mich unwahrscheinlich zu den gut aussehenden, schlanken indischen Männern angezogen – aber an einen Kontakt zu ihnen war auch dort bei gleicher Gesetzeslage nicht zu denken.  So ging ich denn auf die schmutzigen Bahnhofstoiletten, wo ich sah, wie die Männer mit aufreizenden erigierten Gliedern an den Pissoirs standen – aber auch sie wagten keine körperlichen Berührungen, weil die Sittenpolizei überall ein wachsames Auge auf sie hatte.

 

So heiratete ich schließlich meine Frau mit 28 Jahren und hatte die  für mich nicht sehr erfüllende erste  sexuelle Begegnung in unserer Hochzeitsnacht. Ich hoffte und erwartete von den sexuellen Begegnungen mit ihr „geheilt“ zu werden, denn ich war immer noch fest davon überzeugt, dass meine „homosexuellen Phantasien“ krankhaft seien.  Erst mit Anfang 40 ging ich heimlich zu einem schwulen Psychologen, der mir den entscheidenden Impuls für mein inneres Coming Out gab. Danach besuchte ich ebenso heimlich und immer mit einem schlechten Gewissen die verschiedenen Sexshops,   Klappen und Cruising Lokalitäten  bis ich schließlich in der schwulen Sauna zwei und später mehrere Männer traf, die ebenfalls verheiratet und heimlich Sex mit anderen Männern hatten. Wenn ich jedoch kurz davor stand, mich in einen Mann zu verlieben, brach ich den Kontakt aus Rücksicht gegenüber meiner Frau ab, die ich als Menschen über alles liebte.

 

Seit etwa 20 Jahren unserer 53-jährigen Ehe vermutete meine Frau, dass ich impotent sei, was jedoch bis heute keinesfalls der Fall ist – nur mit dem weiblichen Körper konnte und kann ich partout nichts  anfangen. Ich weiß aus verschiedenen Äußerungen von ihr, dass sie wusste, dass ich mich zu Männern hingezogen fühlte und sie ahnte auch, dass ich heimlich Kontakte zu Männern hatte.  Wir haben jedoch dieses Thema nie thematisiert aus Angst uns gegenseitig zu verlieren.

 

Vor einem Jahr starb meine über alles geliebte Frau. Ich vermisse sie sehr.

 

Zu keinem Zeitpunkt habe ich bereut, meine Frau geheiratet zu haben und ich freue mich zwei erwachsene Kinder, Schwiegersöhne und fünf Enkelkinder zu haben, zu denen ich ein wunderbares Verhältnis unterhalte.

 

Inzwischen habe ich mich gegenüber meinen beiden Kindern und bei  vier meiner besten Freunde/Freundinnen geoutet, was entgegen meinen ängstlichen Erwartungen sehr gut ausgegangen ist.

 

Ich fühle mich wunderbar befreit und habe beschlossen, mich bei keiner Gelegenheit wegen meiner sexuellen Orientierung mehr zu verstecken. Sollten aus meinem großen heterosexuellen Bekannten- und Freundeskreis unverständliche Reaktionen oder gar Ablehnung kommen, so werde ich daraus ableiten, dass es sich bei ihnen dann um keine wahren und echten Freunde handeln kann.

 

Ich habe gewisse Schuldgefühle gegenüber meiner Frau noch nicht überwinden können, denn ganz sicherlich konnte ich ihr sexuell nicht das geben, was sie wohl von mir erwartet und auch verdient hätte.

 

Ich habe mich mein ganzes Leben nach einem liebevollen Mann gesehnt, der vom Wesen und meinen Interessen her gesehen, zu mir passt, dem ich mich gleichzeitig aber auch körperlich ganz inniglich hingeben und lieben kann. Ist es bei meinen 81 – aber dennoch jung gebliebenen – Jahren zu spät dafür?

 

Norbert, Helmut und alle Männer unserer Gruppe schwuler Väter und Männer mit spätem Coming Out haben mir sehr auf meinem Weg geholfen, ebenso das Schwule Väter Seminar im Waldschlösschen. Ich habe überall ein liebevolles Verständnis für meine Situation und wirkliche Hilfe erfahren, worüber ich sehr, sehr dankbar bin. Liebe Männer dieser Gruppe bleibt mir auch weiterhin gewogen. So lange es nur möglich ist, werde ich weiter zu Euch kommen.

 

 

Günter

 

 

Erstellt im August 2017


Das kleine ängstliche Kind

Ich (m, 50, 4 Kinder, 18 Jahre verheiratet, seit 4 Jahren getrennt, seit 2 Jahren geschieden) hatte vor wenigen Monaten mein 'inneres Coming Out'. D.h. es ist mir Bewusst geworden, dass ich immer schon schwul war. Und das obwohl ich bisher noch nie Sex mit einem Mann hatte.

 

Wie kann das gehen? 

 

Aufgewachsen in dörflicher Umgebung, geprägt von einem strengen Elternhaus schon früh am Leid meines Bruders erfahren, was es heißt, nicht so zu sein wie es die Eltern gerne möchten. Aufgeweckt wie ich war, spürte ich immer schon die Grenzen des Erlaubten und Unerlaubten. Mir blieb nur übrig, der 'Gute' Sohn in der Familie zu sein. Alles 'Unerlaubte' geschah entweder gar nicht oder so geheim, dass wirklich niemand etwas davon erfuhr. Dies ist einer schon in der Kindheit ausgeprägten großen Ängstlichkeit geschuldet, die mich mein Leben lang teilweise krankhaft verfolgte bis sie mir endlich vor 5 - 6 Jahren Bewusst wurde. Ein erster Schritt zu meinem Selbst ohne dem der heutige Schritt undenkbar wäre.  

 

Vollkommen unaufgeklärt in die Pubertät kommend, haben mich meine schlaflosen Nächte die mir manch ein Junge bereitete, die ausschließlich männlichen Phantasien beim wichsen niemals auf die Idee gebracht, dass ich anders bin. Trotzdem hatte ich immer das Gefühl, dass ich anders bin. Ich schob es ernsthaft auf die Musik die ich höre, auf die Literatur die ich las, auf meine Gefühlswelt die anders zu sein schien. Niemand schien mich zu verstehen. Das führte zu Depressionen, die mich ebenfalls immer wieder verfolgten.

 

Auch, dass ich mit 17 Jahren aus Eifersucht über meinen besten Freund, als er sich eine Freundin zulegte, das Brotmesser schon an der Schlagader hielt, hatte mich nicht darauf kommen lassen, dass ich in ihn verliebt war. Ich wusste gar nicht, dass Männer sich in Männer verlieben können. Schwul war nur ein Schimpfwort, etwas Unerlaubtes. 

 

Doch Mädchen waren für mich vollkommen uninteressant. Ich habe mit einem Mädchen zusammen musiziert. Das war schön. Doch das Mädchen interessierte mich nicht. Ich bin mit diesem Mädchen nach dem Abitur in eine andere Stadt gezogen, als WG. Das Mädchen interessierte mich nicht. Sie jedoch war wohl schon länger in mich verliebt und gestand ihre Liebe im ersten Jahr des Zusammenlebens. Ich reagierte darauf nicht, war entsetzt. Trotzdem blieben wir zusammenwohnen und nach 3 Jahren ist es passiert: In einer Silvesternacht, angetrunken, sind wir im Bett gelandet und haben uns gestreichelt. Den nächsten Morgen, nüchtern, wendete ich mich ab. Tat so, als wäre nichts geschehen. Doch die erstmalige gefühlte Nähe eines Menschen hat mich drei Monate später doch wieder zu ihr hingezogen.

So ist die Beziehung zu meiner langjährigen Frau entstanden. Ein wohliges Gefühl von Normalität trat in mein Leben. Es änderte nichts an meinen Phantasien oder dass ich schönen jungen Männern hinterherschaute, ich akzeptierte das ohne zu hinterfragen. Doch eine unterschwellige Unzufriedenheit war auf beiden Seiten spürbar, sie wurde durch ein ruheloses Leben, durch Arbeit, durch Kindererziehung, durch Häuser bauen und aufwendiges renovieren erstickt. Erst als wir alles fertig aufgebaut hatten und uns mit uns selbst wieder beschäftigen mussten wurde uns klar: Es geht so nicht. Sie spürte, dass ich sie nicht liebe und ich spürte das ich sie nicht liebe.

 

Die Trennung war schmerzhaft, meine Kinder leben nun über 300 km weit weg, 'Haus und Hof' ist verloren. Doch irgendwie fühlte ich mich auch befreit. Langsam versuchte ich mich über mich selbst klar zu werden. Langsam erkannte ich, dass ich im Internet seit der Trennung nur nach Männern geschaut habe. Langsam erkannte ich, dass ich das, seit es das Internet gibt, immer tat, wenn meine Frau verreist war, und Sie reiste meist allein mit den Kindern. Langsam erkannte ich, das ich schwul bin.

 

Und mit dem Erkennen wächst auch das Bedürfnis dieses endlich auszuleben.

 

Es ist Zeit das kleine ängstliche Kind zu Grabe zu tragen!

 

 

Frank

 

 

Erstellt im Juli 2017


Ein langer Weg, der noch nicht zu Ende ist . . . (2)  

Das waren die Worte mit denen ich meinen letzten Bericht begonnen habe.

 

Es sind zwar erst 3 Monate vergangen aber in dieser Zeit hat sich in meinem „neuen Leben“ einiges getan.

 

Zu dem Zeitpunkt als ich den Bericht geschrieben habe, hatten meine Frau und ich bereits unsere Scheidung eingereicht. Nun sollte es also ernst werden. Da wir uns in allen Punkten einig waren haben wir uns entschlossen eine gemeinsame Anwältin zu nehmen.

 

Nun ging es los. Die ersten Schreiben vom Gericht kamen mit der Post. Fragen wie z.B., ob man der Scheidung zustimmt sollte man beantworten.

 

Dann kam die erste Post von der Rentenkasse. Der so genannte Versorgungsausgleich und die Rentenansprüche mussten geklärt werden. Oh Mann, nicht so einfach, wenn man sich nie großartig mit diesem Thema befasst hat. Also hieß es nun alles zu prüfen, ob alle Angaben vollständig sind. Immer wieder kamen neue Schreiben wo wieder Unterlagen fehlten.

 

Es war schon irgendwie ein merkwürdiges Gefühl, da mir in dieser Zeit bewusst wurde, dass es nun daran geht wieder einen neuen Weg zu gehen. Die letzten zwei Jahre nach meinem Coming-Out waren eigentlich schon nervenaufreibend genug und mit vielen Emotionen verbunden. 

Es musste ja auch unseren Kindern gesagt werden, dass Mama und Papa sich scheiden lassen werden. Sie sind zwar schon erwachsen und leben ihr eigenes Leben, dennoch sind es unsere Kinder. Die beiden hatten in den letzten Jahren auch einiges womit sie fertig werden mussten.

 

Und dann war es soweit.

 

Ich bekam Ende Mai einen dicken Brief vom Gericht. Zuerst dachte ich dass mir mitgeteilt würde dass nun alle Unterlagen vollständig seien. Tja, falsch gedacht.

 

In diesem Brief wurde mir der Termin für unsere Scheidung mitgeteilt.

 

Meine Gedanken und Gefühle fuhren an diesem Tag mit mir Achterbahn. Sooooo schnell hatte ich damit nun wirklich nicht gerechnet. Der Termin sollte schon in knapp drei Wochen sein. Mir ging in dieser Zeit  so viel durch den Kopf.

 

Ich muss dazu sagen, dass wir Ende Juli diesen Jahres 25 Jahre verheiratet wären. Da meine Frau und ich uns prima verstehen und auch ganz offen miteinander umgehen, hatten wir eigentlich geplant an diesem Tag unsere „Silberhochzeit“ zu feiern. Natürlich nicht so wie man sich das eigentlich vorstellt. Wir wollten mit unseren Kindern, wenigen sehr engen Freunden, meinem Partner sowie meiner damaligen Trauzeugin eine kleine Grillfeier machen und einfach nur einen schönen Abend verbringen und das eine oder andere Glas zusammen trinken. Zumal wir uns ja nicht im bösen voneinander getrennt haben und noch verheiratet sind . . .

 

So dachte ich zumindest.

 

Nun sollte alles anders kommen. Der Tag des Scheidungstermins rückte immer näher und die Gefühle wurden immer merkwürdiger. Mir wurde mit jedem Tag mehr bewusst, dass nun wieder ein neuer Lebensabschnitt beginnt.

 

In der Nacht zuvor habe ich etwas unruhig geschlafen. Eigentlich sollte man ja denken: Ok, es ist nur eine reine Formsache. Man geht zum Gericht, wird gefragt, ob man der Scheidung zustimmt und das war es. Im Prinzip wie bei der Eheschließung. Dort musste man ja auch nur „Ja“ sagen und alles war vorbei. Doch diesmal war es irgendwie anders . . .

 

Am nächsten Morgen war ich schon sehr früh wach. Ein mulmiges Gefühl fing an in mir aufzusteigen. Kurz bevor ich mich dann auf den Weg gemacht habe, um meine Frau abzuholen – wir wollten zusammen dort hinfahren – schaute ich nach, ob ich auch meinen Ausweis dabei habe. Man weiß ja nicht, ob man ihn braucht oder nicht, aber sicher ist sicher . . .

 

Dann sah ich meinen Ehering im Portemonnaie. Ich hatte ihn die ganze Zeit immer noch dabei. Wieso kann ich eigentlich nicht sagen. Vielleicht auch aus dem Grund, weil meine Frau und mich ja in gewisser Weise immer noch vieles verbindet.

 

In diesem Moment wurde mir klar, dass es jetzt an der Zeit ist ihn nicht mehr ständig mit mir zu tragen. Für mich sollte heute ein neuer Abschnitt beginnen. Also nahm ich ihn heraus und legte ihn weg. Und wieder überkam mich dieses seltsame Gefühl, was ich nicht beschreiben kann.

Dann was es soweit. Wir waren im Gericht und saßen mit unserer Anwältin nebeneinander. Der Richter meinte auch, dass er es gut finde dass wir zusammen sitzen. Dann kam die erwartete Frage.

 

Nachdem wir dann beide bestätigt haben dass wir uns Scheiden lasen wollen war alles vorbei.

 

Der Richter verkündete, dass wir nun geschieden seien.

 

Boa, ein absolut erdrückender Moment für mich. Nur ganze acht Minuten hatte es gedauert.

 

Ich konnte so schnell gar nicht realisieren, dass ich nun geschieden sein sollte. Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich in diesem Moment schon schlucken musste und mir auch eine Träne in die Augen schoss . . .

 

Schließlich ist es für mich ja nicht so, dass wir uns jemals in dieser Zeit der Trennung großartig gestritten haben oder einen Rosenkrieg geführt haben, wie es ja leider bei vielen der Fall ist. Im Gegenteil. Meine nun Ex-Frau und ich sind nach wie vor sehr gute Freunde und ich bin darauf auch sehr stolz . . .

 

Ich möchte abschließend noch die Gelegenheit nutzen und meiner Ex-Frau für die vergangenen 27 Jahre, die wir uns nun kennen danken, da ich weiß, dass sie das hier lesen wird. Ich bin sehr stolz darauf, was wir in den letzten Jahren alles geschafft haben und auch dass ich ohne sie nicht zwei so tolle Kinder hätte.

 

Nun hoffe ich, dass ich diesen „neuen“ Lebensabschnitt meistern werde und bin darauf gespannt was mir die Zukunft noch alles bringen wird . . .

 

 

Robert

 

Erstellt im Juni 2015


Ein langer Weg, der noch nicht zu Ende ist . . . (1)

Ein langer Weg, der noch nicht zu Ende ist . . .

 

Es sind schon unzählige Berichte über das Coming out geschrieben worden. Und in gewisser Weise ähneln sie sich zu einem großen Teil auch alle. Ich habe mich aber nun dazu entschieden auch einmal ein paar Zeilen zu verfassen.

 

Es sind nun fast 2 Jahre her, dass ich mich bei meiner Frau und meinen Kinder geoutet habe.

 

Ich bin diesen Sommer 25 Jahre verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder.

 

Vor nunmehr 13 Jahren habe ich festgestellt, dass ich mich auch zu Männern hingezogen fühle. Damals habe ich erst gedacht es ist nur eine vorübergehende Phase, die sich wieder erledigen wird. Wir hatten damals eine etwas schwere Zeit innerhalb der Familie und ich habe mich in dieser Zeit irgendwie in eine „andere Welt“ zurückgezogen. Ich habe in dieser Zeit einen Mann kennen gelernt in den ich mich irgendwie verguckt habe. Er hat mir damals das Gefühl gegeben, dass die Welt auch anders sein kann.

 

Für mich war diese Zeit mit vielen verschiedenen Gefühlen behaftet. Zum einen dachte ich, dass ich doch meine Frau habe, die ich auch liebte, zum anderen merkte ich, dass das, was ich in der Nähe dieses Mannes fühlte, etwas ganz besonderes war und ich dieses auch sehr genossen habe damals.

 

Irgendwann hat meine Frau aber davon Wind bekommen und es gab eine große Ehekrise. Ich bzw. wir haben dann aber versucht noch einmal einen Neuanfang zu starten.

 

In dieser Zeit haben wir viele Gespräche geführt und ich habe den Kontakt zu dem Mann eingestellt. Es tat aber auch auf eine gewisse Weise weh . . .

 

Ich habe aber trotzdem nicht aufgehört mich weiterhin zu Männern hingezogen zu fühlen und habe auch immer wieder im Internet mit Männern Kontakt gehabt.

 

Irgendwann habe ich dann eine Therapie begonnen, um für mich herauszufinden, ob ich nun hetero oder doch schwul bin. In dieser Zeit spielten meine Gefühle mit mir Achterbahn und ich habe immer mehr für mich feststellen müssen, dass ich eigentlich mehr schwul  als hetero bin.

 

Dann im Sommer 2013 kam der Tag an dem sich alles veränderte. Meine Frau und ich haben nach Jahren der „Qualen“ und des „Leidens“ mehr oder weniger gemeinsam den Entschluss gefasst, dass ein Zusammenleben so nicht mehr möglich ist und wir haben uns getrennt. Zuerst haben wir noch gemeinsam in unserem Haus gelebt. Allerdings getrennte Schlafzimmer.

 

Diese Zeit war für mich und meine Frau sehr schwer, da man sich ja trotz der Trennung jeden Tag über den Weg lief. Wir haben sehr oft Gespräche geführt.

 

 Nach knapp 2 Monaten bin ich dann ausgezogen.

 

Als ich anfing Kartons zu packen und nach und nach meine Sachen weg zu bringen, war es für mich schon sehr hart. Ich glaube ich habe da erst so richtig realisiert was los ist . . .

 

Von heute auf morgen war alles anders. Nun musste ich auf eigenen Füßen stehen. Eigentlich das erste Mal, dass ich alleine in einer Wohnung gelebt habe.

Ich richtete meine kleine Wohnung ein, so wie es mir gefiel. Irgendwie ein schönes, aber auch manchmal komisches Gefühl. Für mich begann nun ein völlig neues Leben und auch für meine Frau und meine Kinder.

 

Es gab einige Tage an denen ich dachte, ob es der richtige Weg ist, den ich bzw. wir gegangen sind. Es kamen auch gelegentlich Zweifel auf. In den ersten Wochen nach dem Auszug habe ich mich viel mit Freunden unterhalten und diese haben mir immer wieder Mut gemacht und mich aufgefangen, wenn ich einen Durchhänger hatte . . .

 

Nach und nach haben wir unseren Freunden und Verwandten mitgeteilt aus welchem Grund wir uns getrennt haben. Ich hatte bei einigen schon ein mulmiges Gefühl es Ihnen zu sagen. Gerade da wir auf dem Lande leben und ich durch meinem Job und auch Verein bekannt bin. Immer wieder die Frage wie werden die Leute reagieren, was werden sie denken oder sagen. Auch immer im Hinterkopf, ob es zu Kommentaren gegenüber der Kinder kommt. Mit gingen in dieser Zeit sehr viele Gedanken durch den Kopf. Aber egal mit wem wir darüber gesprochen haben, die Reaktionen waren völlig anders als ich es jemals erwartet habe. Alle waren recht offen und es gab eigentlich keinen der es negativ aufgenommen hat.

 

Nach unserer Trennung haben meine Frau und ich sehr, sehr viele Gespräche geführt, so wie es sie während unseres zusammen Lebens nicht gegeben hat. Wir konnten nach so vielen Jahren endlich offen über dieses Thema sprechen. Ich habe immer wieder versucht ihr zu erklären wie es dazu kam und auch, dass es absolut nichts mit ihr zu tun hat.

 

Nach und nach hat sich bei uns beiden eine tolle Freundschaft entwickelt und heute sind wir die besten Freunde und sie ist in vielen Dingen meine engste Vertraute geworden . . .

 

Ich habe die ersten Monate, als ich dann mein neues Leben begonnen habe, erst mal angefangen mich neu zu orientieren und habe auch einige „Männer-Bekanntschaften“ gemacht. Ich denke mal dass es vielen so ergangen ist. Man muss sich nicht mehr heimlich mit jemandem treffen, es könnte uns jemand sehen oder wie auch immer. Auch konnte man ohne es heimlich machen zu müssen auf diversen Internet Plattformen surfen ohne Angst zu haben, dass plötzlich eines der Kinder oder gar die Frau hinter einem steht. Das alles wurde aber nach einiger Zeit auch anders und ich habe festgestellt, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt. Aber auch ich hatte gelegentlich immer wieder mal einen Tiefpunkt und ich bin sehr froh, dass ich dafür Freunde und die Gruppe habe, die mich dann immer aufgefangen haben und mir mit Rat zur Seite standen und auch immer noch stehen.

 

Vor nun fast 10 Monaten lernte ich einen Mann kennen und es hat sofort der Blitz eingeschlagen. Ich habe mich auf den ersten Blick in diesen Mann verguckt. Er war auch verheiratet und hat Kinder. Also kannte er meine Situation nur zu gut. Er konnte meine Gedanken und Gefühle, die ich erlebe sehr gut verstehen . . .

 

Nach einigen Wochen stellte ich Ihn meinen Kindern vor. Es war eine komische Situation für mich, doch ich muss sagen, dass meine beiden Kinder und auch meine Frau damit sehr gut umgegangen sind. Wir haben damals einen gemütlichen Grillabend gemacht und es war eine ungezwungene Atmosphäre. Man saß zusammen, hat geklönt über dies und jenes. Ich bin sehr stolz auf meine beiden Kinder, wie offen sie damit umgegangen sind . . .

 

Auch heute noch ist es ein sehr offenes und lockeres Verhältnis. Auch ich lernte nach kurzer Zeit seine Familie kennen. Man war ich damals nervös. Ich war sehr unsicher und das hat man mir auch angemerkt. An diesem Abend kannte ich zwar schon einen kleinen Teil der Familie. Doch mein Freund hatte zum Familiengrillen geladen und plötzlich stand ich vor knapp 20 Personen. Bohhhhh. Fast war es so, dass ich bei jedem zweiten Satz zu stottern anfing . . .

 

Aber heute muss ich sagen, ist diese Unsicherheit weg. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich seine Familie sehe und wir verstehen uns gut.

 

Auch mit seinen Kindern habe ich einen recht offenen Kontakt worüber ich mich sehr freue.

 

Nach allem was ich nun in den letzten Monaten erlebt habe, kann ich nur immer wieder sagen, dass es die einzige und richtige Entscheidung war, die wir getroffen haben.

 

Ich möchte mich hiermit auch bei meiner Frau bedanken, dass Sie in dieser Zeit immer hinter mir gestanden hat und es auch heute noch tut. Sie ist ein wundervoller Mensch und ich bin sehr froh, dass wir beide ein so tolles Verhältnis haben. Auch meinen  Kindern möchte ich danken, dass sie so mit dieser Situation umgehen und mich so akzeptieren wie ich bin. Ich bin sehr stolz auf das, wie wir diese Situation gemeistert haben.

 

Aber ich weiß auch, dass bestimmt noch Situationen in meinem „neuen“ Leben kommen werden, die mir wieder viel abverlangen. Es wird nicht immer so rund laufen, auch gerade was das Leben als schwuler Vater angeht . . .

 

Für mich kann ich nur sagen, dass ich stolz auf das bin, was ich bis heute geschafft habe und ich bin gespannt was noch kommen wird . . .

 

 

Robert

 

Erstellt im März 2015


Zu mir fällt mir keine Überschrift ein . . . 

Aber braucht mein Leben eine Überschrift?

 

Per Mail wurde ich mal wieder gefragt, wie ich dazu kam, die Selbsthilfegruppe ANS ANDERE UFER ?! zu gründen bzw. zu moderieren. Je länger ich darüber nachdachte, bemerkte ich, dass ich meine Geschichte noch nie komplett aufgeschrieben hatte. Hm, ich glaube, dass nun die Zeit dafür reif ist.

 

Soweit ich zurückdenken kann, war mein Leben von tiefer Religiosität geprägt. Ich „genoss“ eine katholische Erziehung auf dem Lande in einer 800 Seelen-Siedlung. Im Alter von acht oder neun Jahren musste ich zur sogenannten „ersten heiligen Kommunion“. Auf dem Weg dorthin gab es ein Jahr lang einen zusätzlichen wöchentlichen Unterricht vom Pastor. Das ganze wurde begleitet vom Auswendiglernen diverser Gebete, deren altertümliche Worte ich gar nicht verstanden hatte. Ständig wurde mit der Hölle und der ewigen Verdammnis gedroht. Die Gottesdienste zu denen ich nun sonntags musste wurden noch in lateinische Sprache gehalten. Außerdem war nun samstags alle zwei Wochen die Beichte im Beichtstuhl angesagt. Es war schon gruselig, dass ich krampfhaft nach Sünden suchen musste. An einem schönen Herbsttag – ich war ca. elf Jahre – ging mein Vater mit mir auf die Stoppelfelder zum Drachen steigen lassen, damals noch selbst gebastelt. Das war für mich ein toller Tag. Leider hatte ich vergessen, dass es auch der Beichttag war. Zwei Wochen später als es dem Pastor beichtete, wurde ich nach allen Regeln der Kunst zusammen gepfiffen. Das war der erste große Knacks zum Verhältnis von der Kirche und mir. Danach wehrte ich mich erfolgreich jemals wieder zu beichten bzw. mit einem Pastor über meine „Sünden“ zu sprechen. Um den Sonntagsgottesdienst kam ich trotzdem nicht herum.

 

In dieser Zeit wurde meine Schwester geboren. Ich war neun Jahre alt. Bald waren die ersten Puppen im Haus. In unbeobachteten Momenten spielte ich mit ihnen. Zu dieser Zeit kamen zweimal im Jahr die Kataloge von Neckermann ins Haus. Irgendwann bemerkte ich, dass es auch Unterwäsche für Männer zu bestellen gab. Danach wartete ich schon auf jeden Frühjahrs- und Herbstkatalog. Schnell hatte ich heraus an welcher Stelle die halbnackten Männer zu finden gab. Und Badehosen gab es auch noch – welche Freude. Komisch nur, dass ich mir die betreffenden Seiten heimlich anschaute und ein schlechtes Gewissen hatte. Die Seiten mit den BHs interessierten mich überhaupt nicht.

 

Meine erste „Bravo“ kaufte ich mit 16 Jahren. Meine Eltern waren über dieses Schundblatt gar nicht begeistert. Aber ich hatte mittlerweile meine Lehre als Schriftsetzer angefangen und hatte nun 90 D-Mark im Monat für mich. Immerhin sah ich in dieser Zeitschrift die ersten Bilder von nackten Mädchen und Jungen. Die Jungs waren interessanter. Dr. Sommer schrieb, dass homosexuelle Aktivitäten in diesem Alter nur eine Phase seien. Nun denn, dann sollte das Interesse an das weibliche Geschlecht wohl noch kommen. Außerdem hatte ich gehört, dass Sex unter Männern verboten ist. Es gab noch den § 175.

 

Mein 17. Geburtstag fiel genau auf den Tag der Betriebsfeier meiner Lehrfirma. Man sagte mir, dass man mich beneide. 17 Jahre ein tolles Alter. Ich aber dachte nur: „Nee, total beschissen.“ Ich wusste mittlerweile, dass ich irgendwie anders war. Aber ich konnte es nicht einordnen. Wo hätte ich mich informieren können? Bei den Eltern? Das ging nicht. Bei den Schulkameraden? Erst recht nicht. Internet war noch nicht erfunden. Und ich dachte, dass ich der einzige wäre, der so tickt. Mein Unterbewusstsein sagte nur: „Verdränge. Gehe dagegen an. Suche dir eine Freundin.“ Trotzdem, beim Wichsen sah ich nur Männer.

Zur gleichen Zeit bemerkte ich mit zunehmenden Maße, dass die doch so angesehenen frommen Frauen in ihren Sonntagskleidern, nach dem Gottesdienst auf dem Nachhauseweg nichts besseres zu tun hatten, als über ihre Nachbarinnen zu tratschen und her zu ziehen. Das widerte mich an. Das soll Kirche sein?

 

Tatsächlich hatte ich mit 18 Jahren eine Freundin. Kennengelernt hatte ich sie in der Disco. Die kam aus dem Nachbarsdorf. Da wir noch kein Telefon hatten, schrieben wir uns Briefe. Sechs Wochen hielt diese Beziehung. Übers Knutschen ging es nicht hinaus.

 

Meinen 19. Geburtstag feierte ich alleine in Bremen-Walle. An diesem Tag war ich in meiner Bude angekommen, um hier mein Fach-Abi zu absolvieren. In diesem Jahr lerne ich eine Clique von Ex-Konfirmanden kennen. Das war eine schöne Zeit. Hier lernte ich auch meine erste richtige Freundin kennen. Außer Knutschen und Petting passierte aber nichts. Das Jahr war rum, das Fach-Abi geschafft, die Bundeswehrzeit in Oldenburg kam. 15 Monate lernte ich wie man diese Zeit zu seiner eigenen macht. Zwischendurch mal die Freundin in Bremen besucht. Gewichst wurde wieder heimlich unter der Bettdecke auf der Bude in der Kaserne.

 

Man glaubt es kaum. Nach dieser Zeit hatte ich meine Freundin immer noch. Wir sind sogar eine Woche lang in den Urlaub gefahren. Da hatten wir unseren ersten richtigen Sex. Die 22 Lenze hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits überschritten. Nach allem, was ich so gehört und gelesen hatte, sollte das das Höchste sein. Hm, Spaß ist etwas anderes. Aber was? Ich wusste es nicht. Das angefangene Studium auf der Hochschule für Gestaltung brach ich ab. Heute weiß ich nicht warum? War es das Studium an sich oder war es mein Leben mit dem ich nicht klar kam.

 

Um wieder zu Geld zu kommen fing ich an wieder in meinem Beruf als Schriftsetzer zu arbeiten. Die Beziehung wurde von meiner mittlerweile Verlobten gelöst. Sie hatte einen anderen Mann gefunden. Und ich hatte nicht begriffen warum.

 

Auf einer späteren Betriebsfeier lernte ich 1980 meine Frau kennen. Man wollte uns verkuppeln. Wie peinlich. Wir hatten an diesem Abend kaum miteinander gesprochen. Aber ich mochte sie – sie war mir sympathisch. Daraufhin schrieb ich ihr drei Tage später einen Brief, wir verabredeten uns zum nächsten Wochenende. Und man glaubt es kaum: 50 Wochen nach dem ersten Sehen und Kennenlernen auf der Betriebsfeier waren wir verheiratet.

 

Wir haben zusammen viel erreicht. Unsere drei Wunschkinder wurden im Abstand von fast jeweils vier Jahren geboren. Eine schöne Zeit war das. Für viele führten wir eine Bilderbuchehe. Der ersten Jahre verliefen gut. Wir waren mit dem Aufbau beschäftigt. Und doch – so nach und nach merkte ich, dass etwas fehlt. Ich wusste Anfangs nicht was. Es war die Zeit als ich im Außendienst war, da merkte ich dass es gewisse Orte gab an denen sich Männer treffen. „Nein, nein, bloß nicht. Du bist verheiratet“, dachte ich. Irgendwann ist es dann doch passiert – ich hatte meinen ersten Sex mit einem Mann. Das gemeinsame Wichsen hatte ich genossen, danach war das schlechte Gewissen groß. Ich dachte, dass mir dass jeder ansehen könnte. Aber dem war nicht so. Über die Zeit wurden diese Sexspiele mit Männern öfter. Aber es ging mir dabei nicht besser. Ich liebte meine Frau, meine Kinder. Das wollte ich nicht verlieren. Sex mit einem Mann war irgendwann für mich ok. Natürlich immer safe. Ich wollte nur Sex mit Männern, nicht mehr. Niemals eine Beziehung. Das wollte ich nicht, das ging nicht, ich hatte Familie.

 

Und dann passierte etwas, was ich nicht wollte. Ich traf IHN. Für mich der Traummann schlechthin. Eine rosarote Brille wurde mir aufgesetzt. Ich fühlte mich wie hypnotisiert. Nichts konnte ich dagegen machen. Ich war dermaßen aufgewühlt und durcheinander, dass ich nicht mehr wusste wer ich war. Ich war paralysiert. Unfähig war ich mit meiner Familie zu sprechen. Alle aufgestaute Angst und Gefühle überschlugen sich. Ich musste weg. Weg von der Familie. Im meinem Kopf war nur noch Chaos. Hals über Kopf verließ ich meine Familie. Mir fehlten die Worte. Vor meiner Familie war ich nur noch am stammeln. Hier begann der Zeitpunkt, ab dem ich mich nur noch geschämt habe. Meiner Familie hatte ich unendlich weh getan. Diesen Zeitpunkt in meinem Leben würde ich gerne rückgängig machen. Leider ist das Unmöglich.

 

Ein kleines Apartment wurde noch von dem Mann, der mir die rosarote Brille aufsetzte, vermittelt. Die „Beziehung“ war nicht von langer Dauer. Es folgte Einsamkeit, Depression, der Kontakt-Verlust zu meinen Kindern und etliche Besäufnisse. Das war keine Zeit, auf die besonders stolz bin. Aber sie war im Nachhinein lehrreich

 

Als äußerst positiv empfand dann ich mein Outing. Ich hatte das Gefühl, trotz aller Angst, dass ich es herausschreien muss. Geschrieen habe ich nicht, das Outing bei Kollegen und Freunden verlief ruhig. Die Überraschung: Keinerlei negative Reaktionen. Im Gegenteil, manchmal kam sogar Anerkennung, dass ich mein Leben mit 48 Jahren neu anfange. Jedes sich outen war ein Befreiungsschlag. Und so langsam wurde mir bewusst, dass ich gar nicht unnormal war. Die Angst, die mir seit den Kindertagen eingetrichtert wurde verblasste. Mir ging es immer besser.

 

Drei Monate später trat Helmut in mein Leben. Anfangs wollte ich nicht wirklich. Ich war noch zu sehr mit mir selbst beschäfftigt. Helmut war aber hartnäckig und lies nicht locker. Gut so. Danke. Heute sind wir über elf Jahre zusammen.

 

In der Zeit vor elf Jahren hatte ich von der Selbsthilfegruppe „Schwule Väter Bremen“ im Rat & Tat Zentrum gehört. Im Oktober 2003 sind Helmut (auch ein schwuler Vater) und ich gemeinsam zu der der Gruppe gegangen. Gemeinsam ist man ja bekannter Weise stark. Aber erst an diesem ersten Gruppenabend bemerkten wir, dass wir nicht alleine waren. Wir sind so unglaublich viele. Wir gaben erst Mal nur eine kurze Vorstellung von uns. Wir wurden nicht weiter bedrängt. Wir konnten sagen was wir wollten oder auch nicht. Persönlich hörte ich in dieser Zeit viel zu. Worte kamen kaum von mir über die Lippen. Das kam erst so nach und nach.

 

Etwas später kam dann auch die Zeit, wo meine Kinder und ich wieder einen Weg zueinander gefunden haben. Viele, viele Gespräche folgten. Nach weiteren Monaten kamen auch die ersten Annäherungen zu meiner Frau. Lange hat es gedauert. Verständlicher Weise. Umso mehr freut es mich, dass sie mir / uns heute eine gute Freundin und Vertraute ist. Und unsere drei Kinder und deren Partner/innen sowie unsere Enkelin sind gerne bei uns. Wir sind eine große Familie.

 

Der damalige Leiter bzw. Moderator der Selbsthilfegruppe „Schwule Väter Bremen“ wollte sich, als ich ca. vier Jahre bei der Gruppe war, zurückziehen. Man wollte mich zum neuen Moderator. Nach einigen Gesprächen willigte ich ein. Für mich war die Arbeit erfolgreich, leider konnten einige Männer aus der Gruppe und der ehemalige Gruppenleiter nicht loslassen. Die daraus entstandenen Spannungen und die Arbeit gegen mich zwangen mich letztendlich aus der Gruppe komplett aus zu steigen. Obwohl noch andere Männer mit mir die Gruppe verließen existierte die Gruppe „Schwule Väter Bremen“ weiter. Das war auch gut so. Es folgte eine Pause für mich und Helmut von gut einem Jahr in der wir zu keiner Gruppe mehr gingen.

 

Ein Freund von uns war aber im CO30-Chat aktiv. Ein Chat, den es auch heute noch gibt und für Frauen und Männer gedacht ist, die sich erst mit über 30 Jahren outen (siehe unsere Seite „Links“). Dieser Freund veranstaltete an den Pfingsttagen 2010 über diesen Chat ein CO30-Treffen. Helmut und ich waren über Stunden bei diesem Treffen dabei. Bei den gut zehn Männern, die dort zu Gast waren, bemerkte ich eine Veränderung. Sie wurden immer lockerer. Wir „alten Hasen“ wurden auf einmal Vorbild. Was sicher daran lag, das wir ganz normal so leben und agieren, so wie man es bei jedem Hetenpaar sieht. Dieses Pfingstwochenende setzte bei mir viele Überlegungen in den Gang.

 

Nach etlichen Gesprächen und Telefonaten im Sommer 2010 war es soweit: Ich setzte mich vor gut vier Jahren zum ersten Mal mit zwei ehemaligen Gruppenmitgliedern und deren Männern sowie Helmut zusammen. Wir hatten gemerkt, dass es einen großen Gesprächsbedarf bei Männern gibt, die sich erst spät outen. Bei der Gruppe der „schulen Väter“ wurde uns viel gegeben und das wollten wir zurückgeben. Wir sahen uns aber nicht als Konkurrenz, wir wollten anders sein. Bei uns sollten nicht nur schwule Väter willkommen sein, sondern auch der ganz „normale Nur-Schwule“ und alle Männer, die sich bei uns wohl fühlen können.

 

Das war letztendlich die Geburtsstunde der Selbsthilfegruppe ANS ANDERE UFER ?!. Am 10. August 2010 war es so weit: Wir hatten unseren ersten Gruppenabend. Nach der ganzen Organisation waren wir doch recht nervös, weil wir nicht wussten was uns erwartet – zumal es ja auch noch die Gruppe der „schwulen Väter“ gab. Doch unsere Angst war unbegründet. Unsere erste Homepage entwickelte sich rasch und die Gruppenmitgliederzahl stieg und stieg. Einer der Gruppengründer ist leider vor zwei Jahren nach Bielefeld gezogen und fiel somit aus. Der andere Gruppengründer hatte mit mir vor Kurzem unüberbrückbare Differenzen – ich weiß nicht warum. Wer nicht redet, dem kann nicht geholfen werden. Glücklicher Weise fand ich schnell neue Mitstreiter. Es macht Spaß mit ihnen zusammen zu arbeiten. Und das zum Wohle der Hilfesuchenden, von denen es noch immer viele gibt.

 

Heute bin ich ein glücklicher Mann. Ich kann sagen, dass ich einen Mann habe sowie eine Frau und eine große Familie. Nach langen Irrungen habe ich meinen Weg gefunden. Ich freue mich, dass ich heute durch und mit unsere Gruppe und unserer Homepage vielen Männern helfen konnte und kann. Und wie ich gerade erfahren habe, hilft unsere Seite auch lesbischen Müttern. Das war mir neu, aber das finde ich schön . . .

 

 

Norbert

 

Erstellt im Oktober 2014


Meine Geschichte

"Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen einige Menschen Mauern und einige Windmühlen"...dieser Spruch ziert jetzt in großen schwarzen Buchstaben die gelbe Tapete in meiner ersten alleinigen Wohnung. An einem warmen Augustnachmittag sitze ich in meinem Wohnzimmer und erzähle meine Geschichte einem Dozenten der Bremer Hochschule, der eine Bacholer-Arbeit schreibt über das Thema "Spätgeoutete Schwule und die folgen". Er hört aufmerksam zu und verfasst in kurzen prägnanten Sätzen meine Geschichte. Ich hätte es nicht besser so kompakt aufschreiben können, ganz im Gegenteil, ich habe in einem Zeitraum von knapp 2 Jahren Tagebuch geführt und fast 800 Seiten auf Papier gebracht. Ich glaube, Ken Follett hat für seine 1000 Seiten "Die Säulen der Erde" länger gebraucht.

 

Ich erzähle jetzt einfach weiter, wie er geschrieben hat: "An diesem warmen Augustnachmittag sitzt Martin S. auf dem Sofa im Wohnzimmer seiner neuen Wohnung und nimmt einen Schluck Kaffee. Er will nichts anderes als endlich seinen Frieden finden. Mit sich, mit der Familie und mit der Welt um ihn herum. Dabei ist es ihm egal, dass er zwei Suizid-Versuche, Krankenhausaufenthalte und Reha-Maßnahmen hinter sich hat. Das liegt hinter ihm. In den nächsten zwei Stunden erzählt er seine Geschichte. Seine Stimme wird dabei beeindruckend klar bleiben.

 

Wenn der junge Martin in einer aufgeschlossenen Familie aufgewachsen wäre, irgendwo in der Stadt, wäre alles vielleicht ein wenig anders gekommen. Ist er aber nicht. Er ist auf dem Bauernhof seiner Eltern aufgewachsen, in einem streng-katholischen Ort in Niedersachsen. Feste Regeln, klare Ansagen, knallharter Umgang. In sein Tagebuch hat er einmal geschrieben: "Meine Mutter ist wahrscheinlich mit ihren knapp 20 Jahren mit allem überfordert. Sie heiratet 1965, ein Jahr später wird meine Schwester geboren, im nächsten Jahr ich, anderthalb Jahre später das dritte Kind. Eine kranke Tante von meinem Vater lebt auch noch zu Anfang bis 1973 im Haushalt. Er sagt, dass er wenig schöne Erinnerungen an seine Kindheit hat. Was er niemals vergessen wird, ist der Druck, den seine Mutter auf ihn ausgeübt hatte, als er noch ein Kind war. "Wir hatten immer gepflegt und adrett auszusehen. Sauber gewaschen. Saubere Kleidung. Ordentlich gekämmt. Meine Mutter hat größten Wert auf diese Dinge gelegt - vor allem darauf, was andere Leute sehen können." Der Vater Landwirt, die Mutter Vollblut-Hausfrau. 

Alle haben das eigene Wohl hinten angestellt. Es gab keinen Platz für Wünsche oder Träume - das hat Martin schnell begriffen.

 

Drei Freundinnen hatte Martin, bevor er mit 25 Jahren seine spätere Frau kennen gelernt hat. Sex hatte er keinen. Erst mit seiner Ehefrau, da war er 29 Jahre alt. "Ich habe mir vorher keine Gedanken darüber gemacht. Ich hatte einfach keine Lust", sagt er heute. Getreu dem Motto "Kein Sex vor der Ehe." Martin lacht: "Wenn meine Frau nicht damals die Initiative ergriffen hätte, wäre da garantiert bis heute nichts gelaufen." Auch die Hochzeit hat letzten Endes nur auf den Druck der Mutter statt gefunden. Für heimatliche Verhältnisse hat Martin sehr spät geheiratet, mit 30 Jahren: "Ich war schon immer ein Spätzünder."

Martin hat sehr lange gebraucht, um zu verstehen, was er mit diesem Leben anfangen will. Den genauen Zeitpunkt kann er nicht nennen. Es war ein fließender Übergang irgendwann in den fünf Jahren zwischen der Hochzeit und der Geburt des gemeinsamen Sohnes: "Ich habe mich immer häufiger beim Surfen auf Gay-Seiten ertappt." Zwar hatte er schon in seiner Jugend homoerotische Gedanken, hat sich aber nichts weiter dabei gedacht: "Wenn nach dem Schulsport geduscht wurde, habe ich mich manchmal schon über den großen Penis des Mitschülers gefreut. Aber mehr war da nicht." Erst mit dem Surfen auf Internetseiten, die Sex zwischen Männern zeigten, begann ein viel zu langes Versteckspiel. Ein Versteckspiel vor sich selbst. Aus heutiger Sicht ist da zum einen sein homosexueller Trieb, den er nie wirklich einordnen konnte und auch nicht wahrhaben wollte. Auf der anderen Seite ist das Umfeld, in dem er groß geworden ist. Ein Leben auf dem Dorf: ein riesiger Glaskasten, der von allen Seiten einsehbar ist. Er spürte den Druck, sich endlich eingestehen zu müssen, was ihm in die Wiege gelegt wurde. 

Das ständige Unterdrücken dieses Bedürfnisses, nur um das Spiel Jahr für Jahr am Laufen zu halten: "Und dann kommt der Moment, wo du nicht mehr kannst."

Als sein einziger Sohn vor zwölf Jahren zur Welt kommt, war das gutbürgerliche Familienleben eigentlich perfekt. Ein Haus auf dem Hof der Eltern, ein gutbezahlter Job als Verwaltungsangestellter im örtlichen Rathaus, Vorstandsposten in der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr und im Schützenverein. Eine herzensgute Frau und ein gesundes Kind. Doch hinter diesem Bilderbuchleben verbarg sich ein zweites Dasein. Dieses spielte sich in Sex-Kinos und auf Autobahnraststätten ab.

 

Martin beging Ehebruch. Mit einem Mann. Anfangs besuchte er Sex-Kinos, um sich im Schutz der Anonymität seinen sexuellen Wünschen hinzugeben. 

Seiner Frau erzählte er, er sei bei der Feuerwehr. Aber in Wirklichkeit schaute er Schwulen-Pornos, in Wirklichkeit hat er sich mit anderen schwulen Männern getroffen und in Wirklichkeit hat er irgendwann auch mit ihnen geschlafen. Alles topsecret: "Ich hatte ein absolut schlechtes Gewissen gegenüber meiner Frau. Das hat mich fertig gemacht." Geplagt von psychischen Problemen und zerfleischenden Schuldgefühlen spielte er sein Spiel weiter. Zum ersten Mal spürte er sexuelle Befriedigung. Dieses Gefühl war so wertvoll, um es sofort wieder wegzuschmeißen.

Aber seine Frau war wachsam. Sie merkte, das ihr Mann sich immer mehr verändert hatte. Also suchte sie nach einer Erklärung - auf seinem Computer. "Als sie mich gefragt hat, warum ich mir in letzter Zeit so viele Schwulen-Pornos angeguckt habe, fühlte ich mich ertappt. Aber natürlich habe ich alles abgestritten." Scheibchenweise, Stück für Stück über mehrere Monate, hat Martin sich seiner Frau anvertraut. In der Zwischenzeit traf er sich schon regelmäßig mit Männern, hatte Dates, die meistens mit Geschlechtsverkehr endeten. "Es war für mich eine schöne Sache, weil nicht die halbe Nacht auf einem Parkplatz stand und darauf wartete, dass endlich was passiert." Obwohl seine Frau eigentlich schon lange Bescheid wusste, besaß er nicht die Kraft, ihr von Beginn an die volle Wahrheit zu sagen. Nicht zuletzt weil in seinem Kopf das totale Chaos herrschte. Es hat ein ganzes Jahr gedauert, bis er sich vor seiner Frau geoutet hat. "Aber es hat sich nichts verändert. Im Gegenteil," erinnert sich Martin. Plötzlich saß er in der Falle.

Es ist schon ein Phänomen, so ein Dorf. Alles geht seinen gewohnten Gang und jeder weiß über jeden Bescheid. Der Bäcker gibt dir die gefüllte Brötchentüte, bevor Du überhaupt etwas bestellen konntes. 

Gehen die Rollläden nach einer längeren Samstagnacht mal etwas später hoch, gibt es böse Blicke der Nachbarn. Alles ist routiniert, alles läuft nach Plan. Der Teufel soll Dich holen, wenn du dich nicht daran hältst. Ob das jetzt ein Krimineller oder ein schwuler Familienvater ist, spielt überhaupt keine Rolle. So etwas ist im sozialen System einer norddeutschen Gemeinde nicht vorgesehen. Also haben sich Martin und seine Frau weiter an den Plan gehalten. Nichts nach Außen dringen lassen, niemanden beunruhigen. Zu viel stand auf dem Spiel. Zu viel Harmonie und zu viel Ordnung. Unnötig diese durcheinander zu bringen. 

Die beiden haben sich eingeredet, dass sich das Problem schon lösen würde. Es war da, aber nur sie beide konnten es sehen. Es war der Familienvater. Und der steht auf Männer und nicht auf Frauen. Das wird sich schon irgendwie regeln.

Tat es natürlich nicht. Seine Frau und er haben dicht gehalten. 

Niemand wusste von seiner sexuellen Orientierung. Unfassbare zweit weitere Jahre hat es gedauert, bis Martin kurz aufgehört hat, gegen seine Ängste anzukämpfen. Das Verhältnis zu seiner Frau war angespannt. Das Undenkbare ist eingetreten,, aber keiner von ihnen wagte auch nur einen Schritt vom Wege abzugehen. Aus Angst vor den Konsequenzen blieb alles beim Alten. Obwohl der Ehemann parallel mit anderen Männern Sex hatte. Eines Abends brach es plötzlich über Martin zusammen. Er hatte keinen Ausweg mehr gesehen. Sich trennen und beiden einen Neuanfang ermöglichen, das wäre eine Option gewesen - aber nicht in seiner Heimat. Dorfleben verpflichtet. Das Haus. Die Eltern. Die Nachbarn. All das war wichtiger.

Er wollte sich umbringen. Dazu schreibt er ein seinem Tagebuch: "Aber darin war ich nicht grade geübt. Vielleicht war ich einfach nur zu feige, oder ich wollte es einfach nicht. Auf jeden Fall hab ich diesen Versuch irgendwann abgebrochen und bin heulend zu P. (einem Freund) gefahren." Martin war nicht mehr der Selbe. Sein Innenleben glich einem brodelnden Vulkan voller heißer Lava, die sich langsam aber zielstrebig den Weg nach oben bahnte. Die Alarmglocken haben aber immer noch nicht geläutet. Er sog den Druck und alles Schlechte förmlich auf. Der Schützenverein, die Feuerwehr, diese alteingesessenen Männerdomänen machten es Martin unmöglich mit seiner Sexualität ins Reine zu kommen. Nach seinem Selbstmordversuch weihte er seinen Hausarzt ein. Der empfahl ihm einen Reha-Aufenthalt mit anschließender Psychotherapie. Er war zu dieser Zeit stark depressiv, aber er lehnte diese Hilfe ab. Er hatte sich gerade für ein Fortbildungsprogramm zum Bilanzbuchhalter gemeldet und wollte nicht versagen. Er hat den ganzen Tag gearbeitet und dann gelernt. Völlig fokussiert darauf, sich mit allem außer seiner Sexualität auseinander zu setzen, zerrte es an seinen Kräften. Und an denen seiner Frau. "Sie hatte natürlich auch Bedürfnisse, aber dafür hatte ich schon längst keine Antennen mehr", sagt er. Er war Gefangener seiner eigenen Gedanken. Martin hatte inzwischen das Laufen für sich entdeckt, hat mit Sport über 35 Kilo abgespeckt. Er hielt in dieser Phase kaum noch Rücksprache mit seiner Frau. Wie es ihr mit der Situation geht? Ob sie überhaupt im Ansatz glücklich war, da wusste er nicht. Er arbeitete, dann ging er laufen. Immer schneller, immer weiter. Er lief davon.

In der letzten Augustwoche 2008 kam es dann zum großen Knall. Martin kam nach Hause. Das Auto seiner Frau stand nicht vor dem Haus. Seine Frau und sein Sohn waren nicht mehr da, es lag ein Zettel auf dem

Tisch: " Ich kann nicht mehr, ich bin weg." Martin bricht zusammen. 

All das, was er sich so mühsam aufgebaut hat, seine neue Stärke, seine Maske, all das fiel auf einmal von ihm ab. Und er lag alleine auf dem Boden seines Wohnzimmers. Er nahm eine Hand voll Tabletten, zündete ein paar Kerzen im Schlafzimmer an und wollte aus diesem Leben entschwinden. Im Nachhinein weiß Martin nicht ob dieser zweite Versuch wirklich den Selbsttod bewirken sollte oder ob es ein letzter Hilferuf war. Er ist nicht gestorben, musste sich nur fürchterlich übergeben. 

Martin wurde gefunden und kam direkt in ein Krankenhaus.

Er hat dem Tod ins Auge geblickt, wollte alles hinschmeißen. Und dieses Mal passierte etwas mit ihm. Seine Frau und sein Sohn sind mittlerweile in das gemeinsame Haus zurück gekehrt. Sie wollten es noch einmal miteinander versuchen. Es war der erste Schritt in ein neues Leben, wenn auch unfreiwillig. Martin wurde mehrere Wochen stationär behandelt. Die freie Zeit neben den Therapiemaßnahmen nutzte er hauptsächlich für seine Prüfungsvorbereitungen. Um überhaupt an der Prüfung für seine Fortbildung teilnehmen zu können, musste er die Klinik früher verlassen. Er nahm teil und bestand. Ziele hielten ihn in dieser Zeit am Leben. Aber sich hinter einer beruflichen Weiterbildung und sportlichen Erfolgen zu verstecken, reichte ihm nicht mehr. Zum ersten Mal hatte Martin wirklich das Bedürfnis etwas zu verändern. Zwei Suizid-Versuche, "Viel schlimmer konnte es nicht kommen", fällt sein Urteil heute nüchtern aus.

In der psychologischen Betreuung sah er sich nicht gut aufgehoben. 

Martin wählte einen anderen Weg. Er nahm die Hilfe eines Lebenscoaches in Anspruch: "Die Atmosphäre war sehr locker und persönlich. Ich hatte früher oft Probleme mich gegenüber Fremden zu öffnen. In diesem Fall ist der Knoten schnell geplatzt." Sicherlich auch, weil Martin es nicht mehr aushielt, alles für sich zu behalten. Worüber er mehrere Jahre nachdachte, brachte der Lebenscoach in einem Satz auf den Punkt: 

"Sie wissen doch eigentlich schon lange, was Sie wollen Herr S.: Sie wollen ihre Familie aufrecht erhalten und gleichzeitig Sex mit Männern haben. An diesem Punkt müssen wir ansetzen." Ein Lebensmodell, das für viele Menschen nur schwer vorstellbar ist, war für die beiden die rettende Idee. Damit waren die Würfel gefallen. Seine Frau war sich auch im Klaren über ihre Wünsche: Sie wollte Martin nicht verlieren, aber sie wollte auch nicht auf Sex verzichten. Die Weichen für die offene Beziehung waren gestellt.

Sex - den hatte es zwischen ihm und seiner Frau natürlich lange nicht mehr gegeben. Komischerweise brachte diese neue Art der Beziehung eine gewisse Würze in ihr Eheleben. Sie kamen sich näher, sie kommunizierten miteinander - zum ersten Mal. Früher haben sie sich am Mittagstisch über das Geschehen im Dorf unterhalten. Wahrscheinlich waren es die gleichen Gesprächsthemen wie in zehn, zwanzig anderen Küchen zur selben Zeit. Doch nun war es anders. Jeder lebte zwar irgendwie sein Leben, aber sie spürten, dass sie sich auf einer Ebene noch gut taten und sich stärkten. Auch für den gemeinsamen Sohn blieben sie stark und ein Ehepaar. "Wir haben jetzt plötzlich über unsere Gefühle gesprochen, total offen. Die Oberflächlichkeit war fort. Es war eine ganz neue, positive Spannung zwischen uns entstanden."

Es war ein überraschend neues Lebensgefühl. Martin wollte aufräumen, alle Altlasten über Bord kippen und nach Neuland Ausschau halten. 

Knapp sechs Monate nach seinem zweiten Suizid-Versuch bekam Martin schließlich doch eine psychologische Rehabilitation in einer Klinik in Ostdeutschland. Sechs Wochen setzte er sich mit seiner Situation auseinander - so intensiv wie nie zuvor. Es war eine gute Zeit. Nach Jahren der Selbstmissachtung hatte Martin Stück für Stück den Glauben an sich selbst zurück gewonnen. Er wollte den absoluten Cut und spürte, dass die Zeit gekommen war: Die Bombe musste platzen! Im März 2010 kam er zurück nach Hause und sagte zu seiner Frau: "Ich werde mich outen." Auch wenn das Verhältnis zu seiner Frau undurchsichtig

erscheint: "Sie hat mich immer unterstützt. Und auch bei meinem Coming-Out war sie an meiner Seite."

Ein Coming-Out. Was ist das eigentlich? Es bezeichnet den individuellen Prozess, sich seiner gleichgeschlechtlichen Empfindungen bewusst zu werden und zu akzeptieren. Und diese Erkenntnis an das soziale Umfeld weiterzugeben. Das Problem für Martin lag dabei speziell im letzten Teil - seiner Familie endlich die Wahrheit zu sagen. Vor seinen Eltern stark zu bleiben und ihnen mitzuteilen, dass ihr ältester Sohn homosexuell ist. Seine Erziehung war "schrecklich", sagt er: "Ich habe viel Prügel kassiert. Oft mit dem Teppichklopfer. 

Für den Sportunterricht habe ich Entschuldigungsschreiben bekommen, weil mein Rücken grün und blau war", erinnert sich Martin an seine Kindheit. Bis zu seinem 13. Lebensjahr hat er regelmäßig nachts ins Bett gemacht. Er hat sich dafür geschämt, schlich morgens direkt in die Waschkammer des alten Bauernhofes, damit seine Mutter nichts von der Schande mitbekommt. Er fürchtete die Reaktion, regelrechte Schikane haben seine Eltern mit ihm betrieben. "Ich wurde als Kind abends mit den Schweinen im Stall eingesperrt. Ich habe ins Bett gemacht, also war ich auch ein Schwein." Enttäuschung macht sich breit, als Martin zum Mann wird, aber immer noch nicht verheiratet ist. Als er 25 wird, gibt es eine klare Ansage: "Such dir endlich eine Frau." Martin gehorchte. "Was anderes blieb mir nicht übrig", sagt er ruhig.

Das war also sein Rückhalt, sein soziales Umfeld. In seiner katholischen Gemeinde fällt jeder auf, der sich nicht wie alle anderen verhält. Aus diesem Grund verhalten sich alle gleich. Und deswegen gab es auch niemanden, der Martin unter die Arme greifen konnte, ihn ermutigen konnte, auf das zu hören, was von Anfang an in ihm vorging. 

Deswegen war es für Martin utopisch. sich einen Mann für sein Leben zu suchen und glücklich zu werden. Und deswegen hat Martin sich wie alle anderen dem großen Ganzen untergeordnet und mitgespielt. Ein Outing bedeutete für Martin also nicht nur zu seinen Gefühlen zu stehen. Es bedeutete, die Welt, wie er sie bisher kannte, komplett aus den Angeln zu heben und auf den Kopf zu stellen. Aber er tat es. Er lud seine Familie zu Kaffee und Kuchen ein und verkündete: "Ich bin schwul." Er erklärte in aller Ruhe, wie er und seine Frau sich das zukünftige Zusammenleben vorstellen und dass sie glücklich mit dieser Entscheidung sind. Martin wusste nicht, ob seine Geschwister etwas geahnt hatten, aber seine Schwester versicherte ihm: "Wenn ihr damit kein Problem habt, dann haben wir es auch nicht." Sein Vater blieb ruhig. Aber seine Mutter verließ den Raum nach wenigen Minuten. Ab dem Zeitpunkt, wo die anderen schon wieder zu diesen alltäglichen Gesprächsthemen übergingen, da stand sie auf. Martin musste nicht fragen, er wusste was in ihr vorging. Ihre Welt brach zusammen. Sie würde ihren Sohn noch weniger achten, als sie es bisher getan hat. Als sie den Raum verließ, verließ sie mehr oder weniger Martins Leben. 

Seitdem ist das Verhältnis auf ein Minimum reduziert.

Was im Schützenverein und bei den Kollegen von der Feuerwehr immer als "Burnout-Syndrom" verkauft wurde, hatte nun einen Namen. Martin war glücklich mit seiner Entscheidung. Dieser lange Prozess, bis zu diesem Tag war lang und beschwerlich und Martin entschloss sich seine Geschichte aufzuschreiben, um sich noch einmal alles ins Gedächtnis zu rufen, was in seinem Leben passiert ist. Eine halbe Million Wörter hat Martin zu Papier gebracht. Chat-Verläufe, Arztbesuche, Therapiestunden und seine Gedanken hat er protokolliert und rekonstruiert.

Heute, fünf Jahre später, lebt Martin von seiner Frau und seinem Sohn getrennt. Seine Mutter hat nochmal wieder dazwischengefunkt: "Als ich eines Abends meinen damaligen Partner mit nach Hause gebracht hatte, sind meine Eltern ausgerastet und sind in mein Haus gekommen und haben mir vorgeworfen, dass ich fremde Männer mit auf den Hof bringe. Für ich ist da eine Welt eingebrochen, sie waren in meine vier Wände, die mir Schutz vor allem bieten sollten, eingebrochen und meine Privatsphäre zerstört. Sie haben sich nie damit abgefunden, wie meine Frau und ich unser Leben gestalteten. Ich habe meine Koffer gepackt und bin gegangen." Damit öffnete sich für Martin aber endlich der Weg in ein eigenständiges, freies Leben. Es läuft immer noch nicht alles so rund, wie er es gerne hätte: Es ist viel passiert. Er zog in eine andere Stadt und zog später wieder zurück in seine Heimat wegen der Arbeit und wegen seinem Sohn. Er hatte feste Freunde und trennte sich wieder von ihnen. Die Vorstandsämter in der Feuerwehr und bei den Schützen hat er längst abgegeben. Um seine Trennung zu finanzieren, hat er einen zeitfressenden Nebenjob angenommen. Aber Martin S. sitzt zufrieden in seinem Wohnzimmer und sieht aus dem Fenster. Es ist ein hartes Leben, doch es ist endlich sein Leben. Er hat gerade einen

Partner: "Aber das ist eher locker. Eine feste Bindung brauche ich gerade nicht." Sein Sohn hatte gerade Geburtstag. Er hat sich den Tag extra frei geschaufelt um mit ihm zusammen feiern zu können. Er legt Wert darauf, dass die Zeit zu zweit nicht zu kurz kommt. "Mal sehen, wie es weiter geht", sagt er. Die Sonne scheint stark an diesem August-Nachmittag. Er blinzelt und nimmt einen großen Schluck Kaffee und belässt es schmunzelnd bei einer trockenen norddeutschen Weisheit: 

"Es kommt sowieso alles, wie es kommt."

 

Das war meine Zusammenfassung über mein Couming-Out, wie es nach meiner Erzählung aus der Sicht eines Fremden aussieht. Ich finde es im nachhinein beindruckend, wie krass er einige Passagen festgehalten hat, da ich sie selber vielleicht garnicht so "wahrgenommen" habe zu damaliger Zeit. Und teilweise klingt das alles "abschreckend" nach dem

Motto: "Oh Gott, sowas will ich nicht durchmachen, dann bleib ich lieber ungeoutet." Für mich war es ein langer beschwerlicher Weg, aber natürlich teilweise in meiner eigenen Haut gefangen. Nicht an mich gedacht, sondern immer an andere, damit es denen gut geht. Heute würde ich es nie wieder so wollen und ich bin sehr froh, dass ich letztlich den "Absprung" geschafft habe. Ich kann heute geoutet glücklich und zufrieden durch meinen Ort gehen, jeder weiß wie ich bin, und wem es nicht gefällt, der soll halt von mir fern bleiben. Ich kann hier nur jeden ermutigen, den Schritt zu wagen, zu sagen, wie er ist, es ist unheimlich befreiend es fällt eine unheimliche Last von einem.

Aller Anfang ist dann wieder schwer, aber das bei jedem so, der sich von seinem Ehepartner trennt, bei mir ist natürlich die Verknüpfung wegen dem Haus auf dem Hof meiner Eltern der Knackpunkt, der nach wie vor besteht, aber seit wenigen Tagen habe ich einen neuen, besseren Nebenjob und langsam habe ich wieder mehr Freizeit und es geht mir zusehends besser. Und eines hab ich gelernt: die meisten Menschen bauen heute Windmühlen, weil man ist und bleibt der Mensch, der man vorher auch war und das merken die Mitmenschen und halten deshalb zu einem, auch bei so großen Veränderungen. Und mein Sohn? Dem gefallen zwar nicht immer die Männer, die er dann vielleicht mal zufällig bei mir sieht oder kennenlernt, aber dass ich schwul bin, damit er dann wiederum kein Problem, man ist und bleibt für die Kinder der "beste Papa"!

 

 

Martin

 

Erstellt im September 2014 


Mein langer Weg zum Coming-Out


Als ich 8 war, hat mir ein 12jähriger das Wichsen (Onanieren, Masturbieren ...) beigebracht. Ich habe es gemeinsam mit ihm gemacht, später auch mit anderen.

 

Als ich 10 war, musste ich im Sportunterricht der Mittelschule zum ersten Mal einen Schlagball werfen. Es waren wohl kaum mehr als 10 m. Viel mehr habe ich auch später kaum geschafft, Bundesjugendspiele waren für mich immer ein Horror. Erst viele Jahrzehnte später habe ich erfahren, dass viele Schwule nicht werfen können.

 

Als ich 13 war, gefiel mir das Foto eines Jungen, der eine der damals so modernen Dreiecksbadehosen trug. Damals hatte ich keine Ahnung, warum es mir gefiel.

 

Als ich 15 war, habe ich mit einem Jungen aus der Nachbarschaft stundenlang Zungenküsse "geübt". Wir haben uns damit entschuldigt, dass wir ja keine Mädchen zum Küssen haben und es deshalb nur so lernen können. Ich empfand es als sehr angenehm. Den nächsten Zungenkuss mit einem Mann hatte ich erst mehr als 40 Jahre später.

 

An meinem 15. Geburtstag fuhren wir, eine Gruppe von Jungen, mit unseren Fahrrädern durch die nach einem Hochwasser überschwemmten Straßen. Es war heiß, wir trugen nur Badehosen. Mich interessierten die Beulen in den Badehosen der anderen.

 

Um diese Zeit fand ich irgendwo einen Hinweis auf die "schmutzigen" Bücher "Baldwin: Giovanis Zimmer" und "Mishima: Geständnis einer Maske". Das fand ich sehr aufregend, denn die Bücher handeln von Liebesbeziehungen zwischen Männern. Warum mich das aufregte, war mir nicht bewusst. Gelesen habe ich sie damals nicht.

 

Als ich fast 17 war, habe ich dreimal eine Aufführung von "Das Leben des Galilei" im Deutschen Theater Göttingen besucht. Die Rolle des Andrea Sarti wurde von einem Schüler unserer Schule gespielt. Wenn ich ihm auf dem Flur begegnete, hatte ich Kribbeln im Bauch.

 

Ab ca 17 habe ich in meinem Tagebuch (das ich von 15 bis ca 21 geführt habe) Seiten lange Abhandlungen darüber geschrieben, welche Jungen mir gefallen. Mädchen kamen nicht vor. Einmal habe ich wörtlich geschrieben "mein leicht homosexueller Zug...". Wirklich gemerkt habe ich aber offenbar nichts. Außerdem war Homosexualität damals noch strafbar.

 

Etwas später habe ich in meinem Tagebuch ausführlich die "Techniken der Homosexuellen" oder was ich damals dafür hielt, beschrieben.

 

Zur gleichen Zeit hatte es mir ein 15jähriger aus meiner Schule besonders angetan. Ihm habe ich jeden Wunsch erfüllt. Alles war aber rein platonisch.

 

Schon im Alter von 18 / 19 Jahren habe ich nachts von Blowjobs mit einem Mann geträumt. Und dann habe ich 40 Jahre auf die Umsetzung dieser Träume gewartet.

 

Im Alter von 19, als ich gerade mit meinem Lehramtsstudium angefangen hatte, fand ich in der Zeitung ein Bericht über einen jungen Lehrer, der wegen "Unzucht mit Abhängigen" zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Den Artikel habe ich mir ausgeschnitten und in mein Tagebuch eingelegt. Warum?

 

Als ich 21 war, besuchte mich mein Vetter, damals 14, wir hatten ein quasi-brüderliches Verhältnis. Am Abend liefen wir Händchen haltend durch die Stadt. Dabei trug ich drunter eine mit einem Reißverschluss zu öffnende Badehose. Irgendwie dachte ich, das sei der Situation angemessen. Passiert ist natürlich nichts.

 

Dass meine Schwärmerei für Jungen irgendetwas mit Homosexualität zu tun haben könnte, war mir bewusst. Ich habe es "Homoerotik" genannt und mir aber eingeredet, das sei ein "Hobby" von mir, so, wie andere für Pferde oder Autos schwärmen. "Richtige" Homosexualität war etwas anderes. Ich hatte gelesen, der SA-Führer Röhm sei homosexuell gewesen. Ihn fand ich in seiner Nazi-Uniform so abstoßend, dass ich mit diesem Begriff nichts Positives assoziieren konnte.

 

Als ich 23 war, hatte ich meine erste Freundin. Weil sie darauf drängte, hatten wir nach mehreren Monaten zum ersten Mal Sex, meinen ersten richtigen Sex überhaupt. Danach war Sex mit ihr meine Samstag-Abend-Pflicht. Oft habe ich das Fernsehen oder was wir gerade gemacht haben, absichtlich ausgedehnt, um den Sex noch hinauszuschieben. Damals habe ich mir gesagt, sie sei nicht hübsch genug und mit einer anderen wäre das sicher viel besser.

 

Ab dieser Zeit waren die Gegenstände meiner "feuchten Träume" nur noch Männer.

 

Als ich 27 war, lernte ich meine spätere Frau kennen. Ich bin niemals "fremd gegangen". Mir fehlte jedes Bedürfnis danach und ich habe mich immer gefragt, warum andere Männer "Seitensprünge" machen.

 

Als ich 30 war, las ich das Buch "Die Konsequenz" von Alexander Ziegler. Ich hatte großes Mitleid mit den beiden (Junge von 16 und ein etwas älterer Liebhaber) und verurteilte die Gesellschaft, die ihr Glück zerstörte. Warum hatte ich es mir überhaupt gekauft?

 

Als ich 43 war, stand ich in Polen in einem überfüllten Zug zwischen einer Gruppe 15- bis 25jähriger Pfadfinder. Sie waren verschwitzt und man konnte viel Haut sehen, teilweise auch spüren. Sehen, fühlen und riechen, ich war überwältigt von meinen Empfindungen.

 

Als ich 46 war, machte ich mit einem 16jährigen eine Exkursion zu verschiedenen Eisenbahnmuseen. Wir waren eine Woche mit dem Zelt unterwegs und schliefen dort in sittsamem Abstand, obwohl ich gerne näher bei ihm gelegen hätte. Über Sex haben wir wenig und über Männersex nie gesprochen.

 

Als ich 57 war, hat mich meine Frau zugunsten eines anderen verlassen. Wir hatten uns schon sehr auseinander gelebt, trotzdem war ich am Anfang ganz schön sauer. Im Nachhinein bin ich ihr, so seltsam das klingt, dankbar.

 

Als ich 59 war, hat mich ein junger Mann verführt, mein erster Männersex. Es war, als hätte ich nie etwas anderes gemacht, alles lief wie selbstverständlich. Er verbrachte einen Teil des Sommers bei mir. Ich hätte schon gerne etwas mit ihm gemacht, aber ich ahnte nicht, dass er schwul war. Er hat mir dann ständig von Homo- und Heterosex erzählt und mir auf andere Weise zu verstehen gegeben, dass er offensichtlich was von mir wollte. Schließlich habe ich es nicht mehr ausgehalten und ihn nach einer Nacht fast ohne Schlaf am Morgen gefragt, ob er sich Sex mit mir vorstellen könne. Dabei wusste ich gar nicht genau, was ich eigentlich mit ihm machen sollte. Seine Antwort war: "Gehen wir zu dir oder zu mir?" Viel später hat er mir erzählt, dass er sehr wohl gemerkt hatte, dass ich schwul bin und was von ihm wollte. Er hat "Gay Radar".

 

Danach wurde es kompliziert. Weil ich von der schwulen Welt Null Ahnung hatte und außerdem auf dem flachen Land lebte, hatte ich meine nächsten Sexerlebnisse mit Escorts. So richtig toll war das aber alles nicht. Und ich war immer noch nicht bereit, mich vor mir selber zu outen. Zwar hatte ich keine Schuldgefühle, aber ich meinte doch tatsächlich, endlich wieder eine Frau als Lebenspartnerin haben zu müssen. Die Suche danach war allerdings eine Katastrophe.

 

Bald danach war ich in Chicago, dort waren gerade die GayGames vorüber. Auf dem Rücksitz eines Greyhound-Bus hatte ich einen Blow-Quicky. In den folgenden Wochen in Amerika hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und mir wurde klar, dass ich wohl doch schwul sei und mir dies endlich eingestehen müsse. Nach der Rückkehr habe ich dann bei passender Gelegenheit und mehr beiläufig meine beiden Kinder und einige wenige alte Freunde informiert. Die Reaktionen waren positiv. Meine Ex-Frau hat es später auch erfahren. Das war für sie kein Problem, denn sie hatte zu dem Zeitpunkt schon lange einen anderen Mann.

 

Die Zeit kann man nicht zurückdrehen. Was wäre gewesen, wenn schon viel früher jemand meine Homosexualität "wachgeküsst" hätte? Wenn ich mit 20 einen Mann getroffen hätte, der definitiv etwas von mir gewollt hätte? Sicher hätte ich über die Jahre eine Menge Spaß haben können.

 

So habe ich geheiratet und zwei Kinder groß gezogen. Und die Freude mit den Kindern ist mir mehr wert als aller entgangener Spaß mit Männern. Meine sexuelle Identität habe ich sehr spät entdeckt, aber nicht zu spät.

 

 

Besser spät als nie!

 

 

Nachwort:

 

Seit einigen Jahren lebe ich jetzt in Bremen, weit weg von meiner alten Heimat.

Hier habe ich ein neues Leben angefangen und viele nette Menschen kennen gelernt, Schwule und Heteros.

 

Danke euch allen!



Michael


erstellt im August 2014


... Es geht weiter: 

Die Fortsetzung von "46, geschieden - und schwul?" 

Als ich vor gut einem Dreivierteljahr den oben erwähnten Bericht schrieb, war mein Leben mitten im "Umbruch". Mit Hilfe und Unterstützung der Gruppe "Ans andere Ufer!?" begann ich, mich in meinem neuen schwulen Leben zurecht zu finden, denn der Schritt vom ehemals verheirateten Mann zu einem geouteten Schwulen ist nicht mal eben so getan. Auch wenn man die Gefühle für Männer schon ewig in sich trägt  ist es eine ganz andere Sache, sie sich selbst gegenüber auch zuzulassen und sie in letzter Konsequenz dann auch nach außen zu tragen. Auch die Angst vor der Reaktion der Umwelt spielt dabei eine wesentliche Rolle.

 

Zum Zeitpunkt meines ersten Berichts wussten nur wenige von meinem „neuen“ Leben. Mich öffentlich an ausgewiesen homosexuellen Orten öffentlich zu zeigen, ging gar nicht. Zum Beispiel die große Geburtstagsfeier des Rat-und-Tat-Zentrums im Café Sand letztes Jahr; wie gern wäre ich hin gegangen! Die Angst aber, dort fotografiert zu werden und dann womöglich in der Zeitung oder  im Internet erkannt zu werden - um Himmels Willen!

 

Unsere Gruppe war jedoch eine gute Unterstützung wenn es galt, diese Hürde nach und nach zu nehmen. Mein erster Besuch in einer ausgewiesenen Schwulenkneipe, der "Königslounge"  oder auch "KL" fiel dann wesentlich leichter! Gemeinsam dort hineingehen und sich den Blicken der Anwesenden aussetzen wurde mit vertrauten Gesichtern neben sich so viel einfacher. Ich bin nun kein Schlagerfan, aber irgendwie passte die Musik an jenem Abend, und als dann Dutzende Männer gemeinsam Vicky Leandros' Lied "Ich liebe das Leben!" mitsangen, klang das fast wie eine Hymne - in die ich tatsächlich mit einstimmte und mich dabei über mich selbst wunderte.

Allein wäre ich dort jedoch niemals hin gegangen. Vielleicht hat mich der Gedanke abgeschreckt 'Da hocken bestimmt nur Kerle, die sich Frischfleisch für die Nacht suchen'. Wie gesagt, das war mein Gedanke, und bestimmt war er auch nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn ich mir das Publikum genauer betrachtete, aber es gab keine Anbaggerei oder plumpes Angraben - auch und wahrscheinlich, weil ich mit den Jungs der Gruppe zusammen saß. Das war in gewisser Hinsicht beruhigend.

 

Eine Nummer "härter" war dann der erste Besuch in der Männerfabrik in Oldenburg. Ich hatte mich mit meinem besten Freund aus der Gruppe verabredet; an einen alleinigen Besuch war noch immer nicht zu denken, zumal meine Vorinformation, dass es beim Eintritt gleich ein Kondom mit dazu gab, eigenartige Gefühle aufkommen ließ. Dennoch, gemeinsam marschierten wir hinein, als hätten wir nie etwas anderes getan. Wir fanden uns wieder in einem großen, relativ schummrigen und bei einem zweiten und dritten Blick leicht schmuddeligen Saal, der gewiss schon bessere Tage gesehen hatte. Die bereits anwesenden Männer musterten uns von oben bis unten, und ich kam mir vor wie auf einer Fleischbeschau. Wir holten uns schnell was zu trinken - und taten Minuten später das gleiche!

Es trafen noch einige weitere Männer aus der Gruppe ein, wir kamen ins Gespräch, lachten viel, beobachteten Vorbeigehende, lästerten natürlich auch, wenn die Hose auf der Kehrseite dann "arschfrei" war oder tanzten zur recht guten Musik. Eine Tanzfläche nur mit Männern! Und ich mittendrin. Unglaublich. Aber ich fühlte mich wohl, weil ich dort sein konnte, wie ich war. Ich musste mich nicht verstellen und genoss in gewisser Weise auch Blicke des ein oder anderen Kerls.

Ich will nicht wissen, was sich dort hinter Vorhängen und Stellwänden abgespielt hat, was meine bisherigen "Vorurteile" über eine gewisse  Schmuddeligkeit der Szene (man möge mir diese Beschreibung verzeihen) ein wenig bestätigte. Aber jeder muss wissen, was, wie und ob er in dieser relativen Öffentlichkeit etwas mit mehr oder weniger bekannten Männern „treibt“. Schwulsein bedeutet, die Toleranz, die man von Heteros erwartet, auch selbst zu zeigen. Jeder legt seine eigenen Grenzen fest. Diese mögen dem Umfeld oft grenzwertig erscheinen, und vielleicht ist es auch genau dieses Auftreten der schwulen Welt gewesen, mit welchem ich nicht in Verbindung gebracht werden wollte. Trotzdem gehört es dazu. Es ist nicht verwerflich oder auch "abartig", wie ich von Zeit zu Zeit höre - es ist halt manchmal anders. Ich musste lernen, damit selbst klar zu kommen, dass auf einmal nun auch ich auf der „anderen Seite“ stand, die auch heutzutage noch immer kritisch beäugt wird.

 

Wer in der schwulen Welt wie leben möchte, muss jeder für sich heraus finden. Ob das Cruisen, anonymer Sex mit eigentlich Fremden oder der Besuch von Gay-Saunas dazu gehört - Geschmackssache. Mein Ding ist es nicht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Heterowelt sich so wahnsinnig von "unserer"  unterscheidet; die Akzeptanz ist hier aber scheinbar eine andere.

 

Schwulsein ist auch heute noch nicht selbstverständlich. Es ist Gott sei Dank einfacher als noch vor 20 Jahren. Wir hatten einen schwulen Außenminister, was zu meiner Jugend undenkbar war. Dass es aber auch heute noch den CSD gibt, der nicht nur Demonstration und Erinnerung ist, sondern auch für Toleranz werben soll - das bedeutet, wir sind noch lange nicht dort angekommen, wo auch wir als Schwule einen selbstverständlichen Platz in der Gesellschaft erwarten.

 

Zu seinem Schwulsein stehen und sich nicht zu verstecken, das ist eines der wesentlichen Ziele der Gruppe. Der Umgang mit seiner Familie, den Kollegen, der Umwelt; ein Schritt nach dem anderen. Die Unterstützung, Tipps und Hinweise der Gruppe, bei denen viele diesen Weg schon gegangen sind, haben mir geholfen dort zu stehen, wo ich jetzt bin. Ich habe immer noch Norberts ständige "Predigt" im Ohr: "Hört auf mit dem ewigen Gechatte im Internet! Geht raus! Spürt die Aura eures Gegenübers!" Kein anonymer Chat auf den blauen Seiten kann das persönliche Treffen ersetzen. Besonders wenn nach wochenlangem Geschreibe die Erwartungshaltung so angestiegen ist, dass die Enttäuschung nur umso größer ist, wenn die Realität anders aussieht oder die Chemie vorne und hinten nicht stimmt.

 

Obwohl ich den blauen Seiten immer kritisch gegenüber stand und sie nur als kostenlose Sexdate-Vermittlung sah (was sie sicher in 90 Prozent aller Fälle auch ist), habe auch ich mich auf diesem Terrain bewegt. Natürlich war der Großteil der Kontaktanfragen genau der erwähnten Natur, obwohl mein Profil explizit beschrieb, dass ich nach einer langfristigen Partnerschaft suchte. Dieses auf Gayromeo oder Gayroyal zu erwarten, war wie die berühmte Nadel im Heuhaufen finden.

 

Trotzdem habe ich sie gefunden – oder eher sie mich! Seit fast 5 Monaten bin ich nun mit einem Mann zusammen, der mir wie noch niemals zuvor das Gefühl gibt, angekommen zu sein. Auch er war verheiratet, hat eine langjährige schwule Beziehung hinter sich und genau wie ich nach einer festen und vor allem treuen Partnerschaft gesucht. Die Nähe und Geborgenheit mit ihm habe ich in dieser Intensität noch nie gespürt, und allein diese Gefühle sagen mir, wie richtig dieser Schritt war, und wie dumm ich doch eigentlich gewesen bin, mich selbst viele Jahre darum betrogen zu haben.

 

Mit ihm und nun "unserem" Hund Hand in Hand spazieren zu gehen macht mir nichts mehr aus. Zugegebenermaßen „provoziere“ ich aber auch nicht. Ich laufe nicht rum mit Regenbogenflagge und erzähle jedem als erstes und ungefragt, dass ich schwul bin. Man muss sich nicht nur auf die sexuelle Orientierung reduzieren lassen. Wer mich aber darauf anspricht, bekommt auch eine ehrliche Antwort. Vor einem guten Jahr noch undenkbar.

 

Es ist nie zu spät, sich zu dem zu bekennen, was man tief in sich spürt. Man darf seinem Glück nur nicht selbst im Weg stehen. Wenn das bedeutet, sich einfach mal Hilfe zu suchen, ist das kein Eingeständnis von Schwäche, sondern bereits der erste wichtige Schritt zum Glücklichsein.

 

"Ans andere Ufer!?" war für mich eine große Hilfe. Ich werde die Gruppentreffen nun hinter mir lassen. Ein wenig Platz machen für andere Männer, die wie ich erkannt haben, dass die Beziehung zu einer Frau nicht die eigentliche Erfüllung bedeutet und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen.

 

Traut euch! Es ist es wert!

 

Ich bin nun 47, unglaublich verliebt und glücklich. Ich wünsche jedem Leser dieser Zeilen, dieses Glück auch zu finden. 



Andreas


Erstellt im Juli 2014


46, geschieden – und schwul?

Damit wären die Kerninformationen schon erwähnt, was mich angeht. Eigentlich ganz normal, wäre da nicht das letzte Wort, was die Situation so gegensätzlich wie nur was erscheinen lässt. Dennoch – es ist so. Meine Ehe ist Geschichte, und nun bin ich auf der Suche nach einem neuen Partner – aber dieses Mal einem Mann! Ich bin  mir sicher, dass es viele Männer mit ähnlicher Vergangenheit wie meiner gibt. Die sich vielleicht im Moment nicht trauen, ihr Geheimnis nach außen zu tragen. Für die ist dieser Bericht!

 

Dass ich verhohlen anderen Jungs und Männern hinterher schaute, wurde mir schon vor der Pubertät klar. Und noch heute erinnere ich mich an den fast entsetzten Gesichtsausdruck meiner Mutter, als sie in meinem Zimmer das ausgeschnittene Bild eines nackten Kerls fand und es mir mit den Worten „Was ist das denn!?“ unter die Nase hielt. Gott, war mir das peinlich! Vielleicht war das eine Art Weichenstellung in meinem jungen Leben. ‚So was ist nicht normal, begrab diese Gedanken mal ganz schnell!‘. Wohlgemerkt, das war in den späten 70ern, einer Zeit, in der Schwulsein nicht unbedingt zur allgemein akzeptierten Lebensart gehörte.

 

In den Jahren darauf schien das Interesse am anderen Geschlecht tatsächlich zu siegen. Ich hatte eine überschaubare Anzahl von Freundinnen, und Männer spielten zu diesem Zeitpunkt im romantischen Sinne keine Rolle. Dachte ich. Trotzdem erinnere ich mich heute sehr genau an Blicke aus den Augenwinkeln auf gutaussehende Kameraden unter der Dusche beim Bund. Erotischen Filmszenen konnte ich wesentlich mehr abgewinnen, wenn die Männer meinen Vorstellungen entsprachen, und in Modekatalogen waren Unterwäscheseiten für Kerle die ersten, die ich ansah. Aber da ich zwischenzeitlich auch verheiratet war, konnte ich ja auch nicht schwul sein. Ich liebte meine Frau wirklich.

Trotzdem waren da immer diese Gedanken, die ich tief in mir verbarg. In 17 Jahren Ehe mit all ihren Höhen und Tiefen waren sie nie verschwunden. Und irgendwann konnte ich sie kaum noch unterdrücken. Die Sehnsucht nach Männern kehrte zurück, und stärker als je zuvor. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf meine Ehe, wenn auch nur unbewusst. Als meine Frau mir dann im Oktober 2011 sagte, sich von mir trennen zu wollen, stürzte zunächst eine Welt zusammen. Es folgten viele Tränen, gab ich mir doch insgeheim die Hauptschuld. Aber dann geschah etwas, was ich nicht für möglich gehalten hatte: Ich war ihr dankbar, diese Entscheidung getroffen zu haben! Nun hatte ich die Chance, meine so lange verdrängten Gefühle heraus zu lassen. Mit 44 Jahren!

 

Die Trauer verging unglaublich schnell. Meine Frau zog aus und direkt zu ihrem neuen Freund, den sie schon kontaktiert hatte, bevor wir uns überhaupt getrennt hatten. Doch nicht einmal das konnte mich kränken. Ich begann mein Leben neu zu ordnen. War zwar allein, aber fühlte mich unglaublich gut!

Erst ein Jahr später lernte ich über das Internet einen Mann kennen. Seine Geschichte war der meinen ähnlich, und er wurde der erste Mann, den ich küsste. Sogar in aller Öffentlichkeit,  allerdings dort, wo uns beide niemand kannte… Es war uns beiden egal. Nie zuvor hatte ich bei Umarmungen und Küssen so intensiv gefühlt, und damit war mir endgültig klar, in welche Richtung  ich gehen musste, um endlich richtig glücklich zu werden. Unsere Beziehung war leider nur kurz, aber wegweisend! Ich wusste, dass dieses Erlebnis der Anfang eines neuen Lebens war.

 

Aber dieses „neue Leben“ hatte auch seine Schwierigkeiten. Wem gegenüber offenbare ich mich? Wie sage ich, dass ich nach 17 Jahren Ehe jetzt auf Kerle stehe? Und wie und wo lerne ich andere Schwule kennen, denn leider kann man die meisten ja nicht als solche erkennen.

Ich kam alleine nicht weiter. Suchte im Internet nach Selbsthilfegruppen für schwules Outing. Und fand die Gruppe „Ans andere Ufer?!“ in Bremen. Was ich auf den Webseiten las, traf in vielen Fällen auch auf mich zu. Da schien es tatsächlich noch andere zu geben, die die „Seiten gewechselt hatten“, und das mitten im Leben! Ich kontaktierte Norbert, einen der Gruppenleiter, und er lud mich herzlich zu einem Gruppenabend ein.

Mein erster Gang ins Café Kweer im Rat-und-Tat-Zentrum war natürlich begleitet von einem leicht mulmigen Gefühl und total irren Gedanken. „Was, wenn dich jemand beobachtet, wenn du da rein gehst? Dann weiß jeder, dass du schwul bist!“ Aber ich war und bin es ja, und deswegen wollte und musste ich diesen Schritt gehen. Es würde einer der wichtigsten sein auf dem Weg zu einer selbstbewussten Akzeptanz der eigenen Homosexualität.

 

Ich war überrascht, welche Altersklassen bei der AAU vertreten waren. Von Mitte 20 bis über 60! Ganz normal in Jeans und Hemden. (Was hatte ich eigentlich erwartet?!?) Und ich hätte niemanden als schwul erkannt, wenn ich ihn einfach so auf der Straße getroffen hätte. Naja, fast niemanden…

Ich wurde herzlich aufgenommen, nie gedrängt, mehr zu erzählen, als ich wollte. Die Runde von etwa 15 Männern hätte auch ein Stammtisch von Skatspielern sein können, nur eben alle mit einem ähnlichen Lebenslauf. Einige waren oder sind noch verheiratet, haben Kinder. Leben als „alte Hasen“ schon seit Jahren offen schwul und stehen den anderen mit ihrer Erfahrung zur Seite, andere lernen gerade erst, sich der Außenwelt gegenüber zu outen. Outen als Männer, die Männer mögen und deswegen keine schlechteren Menschen sind aber trotzdem einige Probleme mehr zu bewältigen haben.

Die Gruppe kann diese Probleme nicht mal so eben verschwinden lassen, wohl aber helfen, Antworten auf Fragen zu finden. Als „Neu-Schwuler“ betritt man in gewisser Weise eine neue Welt mit eigenen Regeln. Es ist sicherlich einfacher als noch vor dreißig Jahren, aber die Existenz dieser Selbsthilfegruppe sagt schon, dass Hilfe erforderlich ist. Man muss sie halt wollen und auch annehmen können!

 

Ich habe die Entscheidung, mich mit Gleichgesinnten an einen Tisch zu setzen, nicht bereut. Es sind nicht immer nur tiefsinnige, problemanalysierende Gespräche, die in der Runde geführt werden, wir haben auch viel Spaß zusammen. Erzählen, nur zuhören, Dabeisein. Neue Männer kennen lernen. Nicht mehr allein stehen mit seinen Gefühlen und Fragen und zu wissen: „Hey! Es gibt noch andere, die das gleiche durchmachen, wie ich!“  Und mit diesem Wissen und auch Unterstützung der Gruppe mutiger werden! Aktiv werden und raus gehen!

 

Als wertvollsten Gewinn betrachte ich für mich, in der Gruppe einen Mann kennen gelernt zu haben, der mittlerweile zu meinem besten Freund geworden ist. Wir haben bislang zusammen gelacht und geheult, gemeinsam etwas unternommen und viele wirklich gute Gespräche geführt. Wir kennen Sachen voneinander, die niemand sonst weiß. Und seither ist unser beider neues schwule Leben etwas leichter geworden.

 

Der erste Schritt ist getan, der Rest wird sich ergeben. Danke an Norbert, Fred, Helmut und alle anderen Männer der AAU.

 

 

Andreas

 

Erstellt im Juni 2013


Ralf, ein Vater von drei Kindern und einer der Leiter der ehemaligen Gruppe „Schwule Väter Bremen“, hat in der Ausgabe des Magazins „Männer aktuell“, Nr. 1 2013, ein Interview gegeben. Von Ralf haben wir die Erlaubnis dieses Interview hier zu veröffentlichen. Vielen Dank Ralf.

 

Norbert

„Es war immer irgendwas in meinem Kopf“

Von Nora Jakob & Clara-Sophie Zink

 

Sie war die erste und einzige Frau, mit der er schlief, nach einem halben Jahr machte er ihr einen Antrag. 14 Jahren waren sie verheiratet. Sie haben drei Kinder. Heute ist er mit einem Mann zusammen - seit fünfzehn Jahren. “Es war eine schöne Zeit. Ich bereue nichts”, sagt er rückblickend. Er nennt seine Ehe aber auch “eine Kurzschlussreaktion“. Die Angst damals, dass er keine andere mehr abbekommt.

 

Trotzdem tauchte bereits nach den ersten Wochen Ehe ein Gefühl auf, das ihn nicht mehr losließ - eine Art Ahnung vielleicht. „Es war immer irgendwas im Kopf.“ Nur was, das wollte Ralf nicht wissen. Auch dann nicht, wenn seine Frau ihn darauf ansprach. Sie bemerkte, wie lange er sich die Männerunterwäsche im Modekatalog ansehen konnte. „Ich werde nicht mehr mit dir und den Jungs schwimmen gehen“, kündigte sie ihm einmal an, „du schaust ja doch nur den Männern hinterher.“ Er stritt alles ab, war erst Jahre später bereit, ehrlich zu sich selbst zu sein. In dieser Zeit wurde jede Ahnung, die aufkam, von ihm unterdrückt. „Ich habe nie ausprobiert, nie gelebt“, sagt er.

 

Dann, neun Jahre später, der erste Versuch, sich von einem Mann umarmen zu lassen. „Es war sehr schön.“ Und doch schwieg er weiter: Drei Jahre vergingen und erst ein Streit zwischen den Ehepartnern brachte den Vorwurf der Homosexualität wieder hervor: Er sprach es aus. Den Rest der Nacht schwiegen und weinten sie gemeinsam. Seine Frau war enttäuscht, hätte sich das Outing früher erhofft. „Aber ich wusste ja auch nicht, ob es das wirklich war und ob es nicht wieder weggeht. Doch es ging nicht weg.“ Auf die Idee, es ihm auszureden, kam sie nicht. „Bei einer anderen Frau hätte sie noch versuchen können, zu kämpfen. Aber sie wusste, dass sie gegen meine Wünsche keine Chance hatte.“

 

Doch trotzdem änderte sich zunächst nichts: Sie lebten weiter zusammen, gehen normal miteinander um, „aber im Unterbewusstsein ist da immer diese Gewitterwolke.“ Sie geht wieder arbeiten, baut sich ihr eigenes Leben auf. Nach einem Jahr ist sie bereit, um allein weiter zu machen. Diesmal ist er derjenige, der überrascht ist: „Ich habe nicht gewusst, dass sie darauf hinarbeitet, mir zu sagen: ‚Ich kann nicht mehr, geh bitte!” Er zieht aus. Die beiden älteren Söhne helfen beim Umzug. „Wir haben ihnen erst mal nur gesagt, dass wir uns trennen.“. Als dann die Frage aufkam, „Papa, hast du eine neue Frau?“ lautete Ralfs Antwort: „Nein. Und wenn ich mal jemanden kennen lernen sollte, dann wäre es ein Mann.“

 

Den gab es nicht sofort. „Es ist nicht so, dass ich mich danach gesehnt habe. Ich habe es zunächst genossen, allein zu sein.“ Der Mann, mit dem er ein Jahr später eine Beziehung einging, war ebenfalls ein schwuler Vater. „Das harmoniert am Besten. Eine Beziehung zwischen einem normalen schwulen und einem schwulen Vater kann nicht gut gehen, denn der normale Schwule kennt die Probleme des Vaters nicht. Er kann sich in die Kinder nicht hineinversetzen, versteht nicht, dass er an zweiter Stelle steht.” Auch der Mann, mit dem Ralf heute zusammen ist, ist Vater.


“Ich bin glücklich, dass ich zwei Leben habe. Meine Ehe gehört dazu, ich würde nichts rausstreichen.“ Eine Heirat mit seinem Lebensgefährten ist nicht möglich, da der noch verheiratet ist. Aber käme die zweite Ehe in Frage, wenn die Bedingungen gegeben wären? „Ich denke schon. Aus emotionalen Gründen eben.“ Die Ringe als Zeichen der Verbundenheit tragen beide schon heute.

 

Erstellt im Februar 2013


Was bedeutet unser Coming-Out für unsere Mitmenschen.

Wenn wir uns outen, dann sind nicht nur wir davon betroffen. Eltern müssen erst lernen damit umzugehen. Was sagen sie, wenn der Sohn mit einem Mann nach hause kommt, zu den Nachbarn und Freunden? Natürlich ist es schön, wenn die Eltern bedingungslos hinter ihrem Sohn stehen, aber auch Ängste werden da sein. Selbst wenn sie das Schwulsein akzeptieren tauchen Fragen auf: Wird mein Sohn glücklich? Bleibt er gesund? Wir reagieren die Mitmenschen auf ihn?

 

Wenn es schon Eltern so geht, wie geht es dann erst den Kindern von schwulen Vätern? Auch sie haben es nicht leicht. Auch sie haben Fragen über Fragen, sicher noch mehr als die Eltern von schwulen Söhnen.

 

Einen kurzen Einblick darüber gewinnt man, wenn man den Bericht von meiner Tochter liest. Der Bericht ist mittlerweile über drei Jahre alt, aber immer noch sehr aktuell vom Inhalt her. 

 

 

Hallo, ich heiße Marit und bin 16 Jahre alt.

 

Dass mein Vater schwul ist habe ich mit 11 Jahren erfahren (das ist nun also schon ein wenig her) und inzwischen habe ich damit keinerlei Probleme mehr, damals hingegen schon. Erfahren habe ich das ganze zum einen von meinem Vater selbst, zum anderen von meiner Familie. Es war ein Riesenschock, verbunden mit Unverständnis.

 

Er erzähle mir eines Abends, nach dem er von zu Hause ausgezogen und ich bei ihm zu Besuch war, dass wir gleich auf den Rummel gehen würden. Ich freute mich, doch dann erfuhr ich, dass sein neuer Freund mitkommen solle. Eigentlich wollte ich daraufhin nicht mehr ausgehen. Ich war irritiert, wusste nicht was ich machen oder sagen sollte, geschweige denn, wie ich mich verhalten sollte.

 

Von meiner Familie (Mutter, Bruder und Schwester) kamen kaum Reaktionen mir gegenüber. Ich wurde aus vielem rausgehalten, mir wurde immer nur gesagt ich sei zu klein um das alles verstehen zu können. Den Freunden und Bekannten, denen ich es nach einigen Jahren erzählte, reagierten allerdings anders als erwartet. Ich hatte Angst, dass sie mich ausgrenzen würden, dem war zum Glück nicht so. Alle reagierten mit großem Verständnis für mich und nahmen mich in die Arme. Auf Grund dieser Erfahrungen kann ich inzwischen sehr gut mit dem schwulen Leben meines Vaters umgehen und auch drüber sprechen und berichten. Der Großteil meiner Freunde weiß darüber Bescheid, wenn auch erst seit kurzem.

 

In der ersten Zeit habe ich mich von meinem Vater sehr distanziert. Ein Jahr lang hatte ich gar keinen Kontakt zu ihm. Meine Schwester sehnte sich allerdings irgendwann wieder nach unserem Vater und sie nahm daraufhin den Kontakt wieder auf, so dass ich meinem Vater auch wieder näher kam, bis heute. Inzwischen habe ich zu meinem Vater wieder einen sehr guten Kontakt und wir verstehen uns wieder sehr gut, was, so glaube ich zumindest, beide Seiten sehr freut.

 

Marit

 

 

Meine Tochter Marit – sie ist das jüngste von drei Kindern – hat mittlerweile alles gut verarbeitet. Zwischendurch war sie ein Wochenende im Waldschlösschen zum Seminar Mein Papa ist schwul. Dieses Seminar hat ihr sehr geholfen. Leider wird es mangelnder Teilnehmer nicht mehr angeboten. Wir haben wieder einen guten Kontakt miteinander. Sie besucht uns mit Freunden oder wir (Helmut und ich) besuchen sie. Im letzten Jahr hat sie ihr Abitur bestanden und nun studiert sie in einer anderen Stadt aufs Lehramt.

 

Ich bin stolz auf meine drei Kinder. Alle haben sie ihr Leben im Griff. Mit allen und den potentiellen Schwiegerkindern haben wir guten Kontakt. Ich wünsche ihnen, dass sie weiter aufrecht durchs Leben gehen.

 

 

Norbert

 

Erstellt im Januar 2012