Ein Bericht von Simone Blaß auf t-online.de vom 14.12.2012

 

Hier ist der Link dazu:

http://www.t.online.de/eltern/erziehung/id_61069292/wenn-vaeter-merken-dass-sie-schwul-sind.html

Wenn Familienväter merken, dass sie schwul sind

Sie leben das klassische Familienbild, sind Ehemänner und Väter, erfüllen das, was die Gesellschaft von ihnen erwartet. Und gestehen sich ihre Neigung zu anderen Männern oft jahre- oder jahrzehntelang nicht ein. Einer Studie des Bundesfamilienministeriums zufolge gibt es deutschlandweit bis zu 300.000 Väter und Ehemänner, die eigentlich homosexuell sind. Nicht selten schweigen sie aus Angst, ihre Kinder zu verlieren. 

Schwule Väter sind ein Tabuthema in der Gesellschaft

"98 Prozent der betroffenen Männer merken erst im Laufe ihrer Ehe, dass sie sich zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen", erklärt Dirk Overwin, Sprecher der Bundesvereinigung der Selbsthilfegruppen schwuler Väter, gegenüber der Elternredaktion von t-online.de. Die wenigsten gehen gleich den Weg der absoluten Offenheit. Es braucht Zeit, bis man sich darüber im Klaren ist, was man wirklich will und es braucht Mut, das klassische Familienbild aufzubrechen - schließlich sind schwule Väter und Ehemänner auch heute noch ein Tabuthema in der Gesellschaft. Dem Wunsch, seine Homo- oder auch Bisexualität auszuleben, steht die Angst gegenüber, der eigenen Familie wehzutun. Sie zu zerstören, vertraute Zusammenhänge aufzubrechen und nicht zuletzt auch mögliche berufliche Folgen aushalten zu müssen. 

Ob schwul oder nicht - er bleibt der Papa

Allein die Ahnung, schwul oder bisexuell zu sein, verunsichert und stellt die eigene Identität infrage. Hinzu kommen so manches Mal Vorurteile zum Thema Homosexualität, mit denen der Mann selbst zu kämpfen hat. Erst muss der Betroffene mit sich reinen Tisch machen, dann folgt der Partner und erst dann sollten die Kinder informiert werden. Nur so haben die Eltern Zeit, eine Möglichkeit zu finden, wie es mit der Familie weitergehen kann. Denn egal, ob schwul oder nicht, der Mann bleibt der Vater seiner Kinder. 

Bei den betroffenen Frauen stürzt das Weltbild zusammen

Bei den Frauen ist der Schock meist groß. Fassungslosigkeit, Selbstzweifel, Wut und Traurigkeit machen sich breit. Hinzu kommt in vielen Fällen das Gefühl, hintergangen und ausgenutzt worden zu sein. So wie bei Gudrun*. Ihr Mann hat beruflich eine hohe Position inne und sie und ihr Kind waren, da ist sie sich sicher, nur der perfekte Deckmantel. Erst nach 28 gemeinsamen Jahren erfuhr sie davon und hat innerhalb von Stunden ihre Konsequenzen gezogen. "Er führte jahrzehntelang ein Doppelleben: Die Woche über hat er seit Jahren bei seinem Lebensgefährten gewohnt und am Wochenende, bei Arbeitskollegen, Freunden und Familie den treusorgenden Familienvater gespielt." 

Jedes Paar muss seine eigene Lösung finden

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie ein Paar mit einer solchen Situation umgeht, welche Lösung es für sich und die Familie findet. Silke* zum Beispiel hat zunächst versucht, mit ihrem Mann weiter unter einem Dach wohnen zu bleiben - getrennt. "Das war für mich der Horror pur und die Stimmung im Haus war grottenschlecht. Erst seit der räumlichen Trennung geht es mir wieder gut und ich kann auch die Kinder wieder auffangen", erzählt sie erleichtert. 

Dem anderen seine sexuellen Freiheiten zu lassen, ist schwer

Auch Petra* ist nicht ganz zufrieden mit der Variante, die ihr Mann und sie gewählt haben. Mal geht es ihr besser, mal schlechter damit. Sie hat sich vom klassischen Lebenskonzept gelöst, lebt weiter mit ihrem Mann und den drei Kindern zusammen.

"Mir ist wichtig, dass zu Hause niemand vernachlässigt wird und jeder bekommt, was er braucht. Ich muss erleben, dass ich seine Nummer eins bin und die Familie sein Lebensmittelpunkt. Ich wollte einfach nicht aufgeben, was wir uns in den letzten 15 Jahren aufgebaut und erarbeitet haben." Schließlich könne es in jeder Beziehung passieren, dass sich einer mal verliebt und dem müsse man ja nicht unbedingt nachgeben. Das gelegentliche Ausbrechen ihres Mannes nimmt sie hin, beansprucht eine ähnliche Freiheit aber nicht für sich. Bisher, wie sie sagt.

Nur sein schlechtes Gewissen, das er ihr gegenüber trotz aller Erlaubnis noch hat, findet sie belastend. Denn für sie war immer klar: "Ich habe zu ihm 'ja' gesagt und dies ist eben auch ein Teil von ihm und gehört zu ihm." Sie glaubt, dass das Internet nicht ganz unschuldig an ihrer Misere ist. "Es ist mittlerweile so einfach, seinen Horizont im Handumdrehen zu erweitern und ähnlich Gesinnte zu treffen - unverbindlich und anonym. Das nimmt viele Hürden und bringt 'diese' Welt unmittelbar und sehr real in den Kopf." 

Hilfe in der Selbsthilfe finden

All diese unterschiedlichen Lebensmodelle sind Sharon nicht unbekannt. Sie engagiert sich bei der Fraueninitiative "Tangiert" und ist selbst betroffen. "Wir bieten den Frauen die Möglichkeit, ihre Situation und Probleme in einem geschützten Raum offen und ohne Scham zu schildern, Erfahrungen mit anderen Frauen in ähnlichen Situationen auszutauschen sowie Kraft und emotionale Unterstützung zu finden - ohne ungewollte Ratschläge. Was vor allem wichtig ist für die Neuen, die verzweifelt mit ihren Familien ganz alleine ihren Kummer und ihre Ungewissheit tragen müssen." 

Paarebene von der Elternebene trennen

In den meisten Fällen bedeutet das Coming-out über kurz oder lang eine Trennung. Ist diese für die Kinder schon schlimm genug, kommt dann auch noch die Besonderheit der Situation hinzu. Das entstehende Gefühlschaos müssen alle erst einmal aushalten und verarbeiten. Dabei ist es wichtig, da sind sich die Fachleute einig, die Paarebene und die Elternebene getrennt zu betrachten.

"Unsere Kinder wissen von den gelegentlichen Sexgewohnheiten ihres Vaters nichts", sagt Sabine. "Normalerweise erzählt man keine Details aus dem Nähkästchen - weder der Familie, den Bekannten noch den Kindern gibt man die eigenen Vorlieben im Schlafzimmer preis." Gabriele sieht das anders: "Ich habe es meiner Tochter sofort erzählt. Hinter verschlossener Tür ist es für sie in Ordnung, sie möchte aber auf keinen Fall, dass es ihre Freunde erfahren." Aus Angst, ausgegrenzt zu werden. 

Für Jugendliche ist es besonders schwer, zu akzeptieren

Auch mit diesem Thema beschäftigt man sich bei Hetera, eine Schweizer Fraueninitiative für die Partnerinnen schwuler Männer: "Der Anpassungsdruck, das Bedürfnis, von Gleichaltrigen akzeptiert zu sein, ist im Mittel- und Oberstufenalter sehr hoch. Das Wort 'schwul' wird häufig als übles Schimpfwort gebraucht." Hinzu kommt bei Jugendlichen der Ekel. Denn nicht selten haben sie ihre Eltern vorher überhaupt nicht als sexuelle Wesen wahrgenommen und kommen jetzt nicht mehr umhin, es zu tun.

Jana war 13, als sie erfuhr, dass ihr Vater homosexuelle Kontakte hatte und sie findet, dass man familienintern darüber sprechen sollte. Denn Kinder hätten das Recht, Antworten auf ihre Fragen zu bekommen: "Man muss den Kindern die Chance geben, den Vater und seine Neigungen zu verstehen, damit sie das Erlebte auch verarbeiten können. In einem offenen Brief auf der Seite von Tangiert beschreibt sie, dass es ihr sehr viel leichter gefallen wäre, wenn sich ihr Vater 'nur' für andere Frauen interessieren würde. "Das wäre irgendwie normaler." Aber letztendlich macht es für sie keinen Unterschied: "Ich mag beide Elternteile so wie sie sind, ob hetero oder homo." 

Aids ist ein wichtiges Thema

Ein Doppelleben birgt auch gesundheitliche Gefahren. Vor allem dann, wenn die Frau nicht weiß, dass der eigene Mann Sex mit anderen Männern hat. Doch selbst bei einem Verdacht scheuen sich viele Frauen, auf Kondome zu bestehen, müssten sie ihren Wunsch doch begründen. Wobei sich der Mann in einer ähnlichen Situation befindet. Schließlich ist es im Rahmen einer Ehe nicht üblich, sich schützen zu müssen. Es greift also wieder das Tabu.

Hier bewährt sich die Ehrlichkeit, mit der Christine* und ihr Mann mit dem Thema umgehen. Sie haben die Rahmenbedingungen in einem "Treuevertrag" geregelt. Er beinhaltet Punkte wie den gesundheitlichen Schutz, aber auch den Schutz der Privatsphäre. "Doch trotzdem", so sagt sie, "braucht es viel Zeit, das gebrochene Vertrauen wieder aufzubauen."

 

* Namen geändert


Hier ist ein Artikel aus der Badischen Zeitung (online) vom 26.08.2011

 

Der Link dazu:

http://www.badische-zeitung.de/freiburg/das-zweite-leben-wenn-familienvaeter-sich-outen--48987677.html

Das zweite Leben: Wenn Familienväter sich outen

Heutzutage ist es grundsätzlich keine große Sache mehr, wenn sich Männer als homosexuell outen. Natürlich trifft das nicht für alle zu, wie die ständig wiederaufkeimende Debatte über schwule Fußballer zeigt. Besonders schwer, sich zu outen, ist es für verheiratete Männer. Nicht zuletzt deshalb wollen die beiden Männer, die mit der BZ über ihr Coming-out gesprochen haben, anonym bleiben.

 

Das war für mich eine glückliche Beziehung", sagt der 45 Jahre alte Stefan M.* über seine 20 Jahre dauernde Ehe. Mit 25 heiratete er, mit 26 kam das erste Kind, einige Jahre später das zweite zur Welt. "Das war das volle Programm – Frau, Ehe, Familie, Häuschen", nichts deutete für ihn darauf hin, dass dieses Idyll einmal enden könnte. Bis er einen One-Night-Stand hatte. Mit einem Mann. "Ich war stark emotional berührt. Ich hatte so etwas noch nie erlebt", sagt er.

Damals 40 Jahre alt, fackelte Stefan M. nicht lange und beichtete seiner Frau, was passiert war. "Ich hatte die Befürchtung, dass sie mich rausschmeißt, doch sie war sehr verständnisvoll und wollte mich um jeden Preis halten." Zunächst gelang ihr das noch, die Ehe habe sogar einen Schub bekommen. Doch nach einem Jahr war für M. klar, "dass das so nicht geht". Er zog in eigene vier Wände: "Wie früher als Familie weiterzuleben, das ging für mich nicht mehr." Er regelte mit der Frau beim Notar alles Notwendige wie Unterhaltszahlungen und die Hausfinanzierung. "Ich wollte klare Verhältnisse."

 

Einen kompletten Schnitt wollte er jedoch nicht machen, dafür waren und sind ihm die Kinder, inzwischen 20 und 14 Jahre alt, zu wichtig. "Den Kontakt zu ihnen wollte ich auf keinen Fall abbrechen." Was von Anfang an gut klappte und – anders als in vielen solcher Fälle – zu keinen Streitereien führte, war die Regelung über den Umgang mit den Kindern: M. und seine Frau einigten sich gütlich, wer die Kinder wann zu sich nimmt. Dass seine Neuorientierung ("ich bin bisexuell") bei ihnen nicht auf Ablehnung stieß, "das war das Tolle für mich".

Die anfangs offene Haltung seiner Frau sei nach und nach geschwunden. Nach der Trennung schottete sie sich nicht zuletzt aufgrund der eigenen Neuorientierung mit dem neuen Lebenspartner zunächst etwas ab. "Wobei wir heute ein von gegenseitigem Respekt und Verantwortung geprägtes Miteinander pflegen", erzählt Stefan M. und versichert: "Ich liebe meine Frau noch immer"; das Ende seiner Ehe empfindet er als herben Verlust. Dass seine Frau, mit der er weiterhin verheiratet ist, einen neuen Partner gefunden hat, war für ihn "extrem wichtig". Für ihn steht indes fest, dass er künftig mit einem Mann zusammenleben will, weil er "die beste Partnerin der Welt" ja schon gehabt habe. Den richtigen Lebensgefährten gefunden hat er noch nicht. "Das ist gar nicht so einfach", sagt M.

Anders als zu Frau und Kindern hat er zur Verwandtschaft seiner Frau keinen Kontakt mehr. "Da gab es abstruse Szenen." Allerdings sei er mit seinem Lebenswandel bei Freunden und Verwandten nie direkt auf Ablehnung gestoßen, sondern habe diese nur in Andeutungen oder über Dritte mitbekommen. Alte Freundschaften sind nach seinem Coming-out im Sande verlaufen. Bessere Erfahrungen hat er am Arbeitsplatz gemacht. M. arbeitet in Freiburg in der öffentlichen Verwaltung. Den Kolleginnen und Kollegen gegenüber gab er sich offen: "Ich wollte kein Versteckspiel. Ich bin da auf sehr tolerante Menschen getroffen."

Bereut hat Stefan M. seinen Schritt nie. Er ist zufrieden, dass er sich nicht verbiegen und keine Kompromisse eingehen muss und "machen kann, was mir gut tut. Ich entscheide für mich, was normal ist."

"Wir haben alle drei am Tisch geheult." 

Peter S. über das Outing gegenüber seinen Eltern

 

Peter S.* ist Anfang 40. 13 Jahre führte er eine Ehe. Anders als Stefan M. war ihm jedoch schon bei seiner Hochzeit bewusst, dass ihn "Männer nicht ganz kalt" lassen. "Aber ich habe das immer verdrängt." Die Folge war, dass S. während seiner Ehe heimlich Affären mit Männern hatte. Und hinterher ein schlechtes Gewissen. So führte er – mit Unterbrechungen – ein Doppelleben, immer in der Angst, dass seine Frau etwas merkt von seiner Liebe zum gleichen Geschlecht. Nichtsdestotrotz habe er sie geliebt. "Das weiß meine Frau auch." Das Doppelleben ging gut, bis er sich "Hals über Kopf" in einen Mann "verknallte", von dem er irgendwann wusste: "Das ist der Mensch, mit dem ich zusammenleben will."

Die psychische Belastung war enorm. Noch als er mit seiner Frau zusammenlebte, holte er sich deshalb bei der Rosa Hilfe in Freiburg Rat. "Es war verdammt schwer, weil ich das Problem hatte, das für mich zu akzeptieren." Erst als er das konnte, war es möglich, sich zu outen. Bevor es aber dazu kam, entdeckte seine Frau – sie hatte den Verdacht, dass er fremdgeht, allerdings mit einer Frau – auf seinem Handy eine eindeutige SMS. Und stellte ihn zur Rede. Heute fragt er sich, ob er damals das Handy absichtlich liegengelassen hat, um ein Ende seines Doppellebens herbeizuführen.

Nach seinem Geständnis zog er von zu Hause aus und kam vorübergehend bei den Eltern unter. Ihnen die Wahrheit zu sagen, sei "mit Abstand am schwierigsten" gewesen. "Wir haben alle drei am Tisch geheult", erinnert sich Peter S. "Für meinen Vater ist Homosexualität heute noch eine Krankheit." Seine Eltern hätten sein Schwulsein akzeptiert. Am Arbeitsplatz ist er aber nicht damit hausieren gegangen, nur einige Kolleginnen hat er eingeweiht; schlechte Erfahrungen hat er im Büro nicht gemacht. Und Freundschaften sind auch keine in die Brüche gegangen. Rückblickend findet Peter S., dass das Outen gar nicht so schlimm war. "Ich dachte immer, dass mich alle Leute angucken. Als Spießrutenlaufen habe ich die ersten Monate empfunden."

Zwei Jahre ist die Trennung von der Familie inzwischen her. Die Zeit des Verarbeitens ist vorbei. Zu seinen beiden Kindern habe er ebenso "ein super Verhältnis" wie zu seiner Frau, mit der er noch verheiratet ist, weil das die Kinder so wollen. Alle drei sieht er regelmäßig. Und sein Patenkind hat ihm gesagt: "Cool, dass du schwul bist." Heute wohnt Peter S. wieder in seinem alten Haus. Allein. Gerne hätte er einen festen Partner. Er glaubt: "Es wäre leichter, wenn ich das alles in jüngeren Jahren erlebt hätte."

*Namen geändert


Artikel aus kreiszeitung.de vom 06.11.2010

 

Schwule Väter und ihre Ängste 

 

Göttigen - Die Familienidylle scheint perfekt: Vater, Mutter und Kind. Doch dann will der Vater nicht mehr dazugehören und outet sich als schwul. Ein Familienmodell, das nicht selten ist. Bundesweit soll es 200.000 bis 300.000 schwule Väter und Ehemänner geben. 

 

Es war ein Schock. Aus allen Wolken ist Andreas' Frau gefallen, als sie von ihm erfuhr, dass er lieber mit einem Mann zusammen sein würde. „Sie hat nach den Gründen gefragt und hat sich Schuldvorwürfe gemacht, aber niemand ist schuld“, sagt der 50-Jährige aus dem Ruhrgebiet. Schwule Ehemänner und Väter sind nach wie vor ein Tabuthema in der Gesellschaft. „Es ist ein Tabu, weil man seine Familie schützen will, weil die Gesellschaft das klassische Familienbild leben will“, sagt der Sprecher der Bundesvereinigung der Selbsthilfegruppen schwuler Väter, Dirk Overwin.

 

Einer der Gründe, warum Männer meist Jahrzehnte mit ihrem Coming-Out warten, ist die Angst, ihre Kinder zu verlieren, weiß Overwin. Dabei seien die Sorgen unbegründet. „Wenn die Kinder nicht gerade 13 oder 14 Jahre alt sind und selber mitten in der schlimmsten Pubertätshase stecken, nehmen sie das Coming-Out sehr gut auf.“ Ältere Betroffene verheimlichten ihre sexuelle Neigung, weil sie sich vor gesellschaftlichen Repressalien fürchteten. „In den 50er Jahren gab es einen gesellschaftlichen Druck und den Männern blieb nichts anderes übrig, als zu schweigen.“ Viele hätten von ihrer Homosexualität damals schon gewusst, aber trotzdem geheiratet.

 

Bei den meisten Beratungseinrichtungen gebe es keine Anlaufstellen für schwule Väter. Deswegen werden die Vätergruppen durch schwul-lesbische Einrichtungen oder Vereine unterstützt. Die Bundesvereinigung bietet Betroffenen unter anderem im Waldschlösschen in Göttingen einen Rahmen, wo sie sich mit anderen Betroffenen aus dem gesamten Bundesgebiet austauschen können. Zweimal im Jahr treffen sich alle 28 Gruppen - mit jeweils zehn bis 20 Mitgliedern.In der kommenden Woche feiert die Vereinigung bei einem bundesweiten Treffen ihr 25-jähriges Bestehen.

 

Mittlerweile haben die Gruppen wieder sehr hohen Zulauf. Dabei seien sehr viele jüngere Betroffene und viele aus osteuropäischen Einwanderungsfamilien. „Zu dem festen Kern gehören immer rund 1.000 Männer“, sagt Overwin. Die Dunkelziffer liege aber weit darüber. Dabei beruft er sich auf eine Studie des Bundesfamilienministeriums, wonach es 200.000 bis 300.000 schwule Väter und Ehemänner geben soll. Die Betroffenen in den Selbsthilfegruppen sind zwischen 30 und 60 Jahren alt. „Wir haben auch einen 75 Jahre alten Pfarrer oder einen 25-Jährigen.“ Oft würden die Betroffenen sich mit Mitte 30 outen und sich von ihrer Partnerin nach und nach trennen. Aber leicht falle ihnen der Ausbruch nicht. „Die hatten einen vorgefertigten Lebensplan und es ist nicht leicht da auszubrechen.“ Es gebe aber auch einen großen Prozentsatz von Vätern, die mit ihrer Familie weiter zusammenleben, obwohl es die gesamte Familie weiß.

 

Manche Ehefrauen deckten den Partner und versuchten, ihn auch nicht zu ändern, sagt Overwin. Das Geheimnis fresse dennoch Energie und mache die Familie oft unglücklich. Overwin rät betroffenen Männern, ihre Homosexualität zuzugeben, aber sich nicht automatisch zu trennen. „Wie sich die Familie entscheidet und weiterentwickelt, ist immer unterschiedlich.“

 

Für Andreas stand nach einer Therapiestunde bei einer Paartherapeutin fest, dass er die Beziehung nicht mehr will und mit einem Mann zusammenleben will. Binnen sechs Wochen trennte sich das Paar, das zuvor sieben Jahre verheiratet gewesen war und zum damaligen Zeitpunkt eine dreijährige Tochter hatte. „Während meiner Ehe war ich nicht an Männern interessiert und habe auch keinen Männern hinterhergeschaut“, sagt Andreas. Seine plötzliche sexuelle Umorientierung kann er nicht erklären. Auch während der vier Jahre, in der das Paar zuvor eine Wohnung geteilt habe, gab es keine Anzeichen für eine homosexuelle Neigung. Heute lebt er mit seiner Frau, die wieder geheiratet hat, in einem freundschaftlichen Verhältnis.